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0388 - Der Tote mit meinem Gesicht

0388 - Der Tote mit meinem Gesicht

Titel: 0388 - Der Tote mit meinem Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Tote mit meinem Gesicht (1 of 2)
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haben und kamen einfach durch die Terrassentür herein. Ich bemerkte sie erst, als ein mächtiger Schatten auf mich fiel, als sich das rosige Licht, das durch meine geschlossenen Lider drang, violett und dunkelbraun färbte, ohne daß ich die Augen fester geschlossen hätte.
    Ich blieb liegen, rührte mich nicht, hielt den Atem an und öffnete vorsichtig das linke Auge.
    Was ich sah, war so unerfreulich, daß ich es schnell wieder schloß. Aber nur für die Dauer eines Atemzuges. Länger konnte ich nicht blinde Kuh spielen. Es hätte gefährlich werden können. Ich klappte also beide Augendeckel empor und richtete mich auf.
    »Tag, meine Herren. Schön, daß Sie gekommen sind.«
    Die beiden antworteten nicht. Der eine stand vor der Terrassentür, die hinter seiner schrankbreiten Figur völlig verschwand. Der andere hatte sich vor dem Kamin aufgebaut und spielte mit einem häßlichen Gegenstand. Ich heftete den Blick darauf und sah, daß es sich um einen sehr langen Schraubenzieher mit verchromter Aale handelte. Das Ding hatte einen gelben Kunststoffgriff, zwei Nocken, die als Parierstangen dienten, und die Spitze war wie eine Nadel zugefeilt worden. Je länger ich das Ding betrachtete, um so mehr Schauer huschten über mein Rückgrat. Ich war mir darüber klar, daß der Schraubenzieher in den braunen Händen nicht nur zum Anstechen von Kaffesahne-Dosen und Orangensaft-Büchsen diente.
    Der Kerl an der Terrassentür war mittelgroß, mager und knochig wie ein Gaul. Das Gesicht war flach und ausdruckslos wie das einer Putte. Die großen Ohren standen schweinsartig ab, die Lippen waren dick wie die Daumen eines Straßenbauarbeiters, und die Augen waren fast weißlich-blau. Auf dem Schädel saß ein zerdrückter Strohhut. Seinem Besitzer billigte ich nur drei Eigenschaften zu: Brutalität, Geldgier und Dummheit. Falls sich herausgestellt hätte, daß der Schlappohrige über andere Wesensmerkmale verfügte, würde ich mich gewundert haben.
    Der Mensch mit dem Schraubenzieher war groß, schlank und wirkte so zäh wie das Material einer Bullpeitsche. Das knochige, hellhäutige Gesicht erinnerte in erschreckender Weise an einen Totenschädel. Die Haut war bleich, hatte einen bleifarbenen Unterton und spannte sich straff wie Leder über die Wangenknochen. Schmutziggelbes, langes Haar war in der Mitte gescheitelt und hing unordentlich bis zu den kleinen, flach anliegenden Ohren herab. Im ganzen: Ein häßlicher, grausamer Kopf, hinter dessen Stirn ich mir nur böse Gedanken vorstellen konnte.
    Die beiden starrten mich an. Schweigend, kalt, ohne Ausdruck. Sie standen völlig reglos. Wäre ich nicht sicher gewesen, daß sie vor einer Minute noch nicht hier waren, hätte ich sie für Wachsfiguren halten können.
    »Es wird zweckmäßig sein, wenn wir /um geschäftlichen Teil übergehen«, sagte ich herzlich. »Plaudern können wir später. — Ihr wollt die Pläne. Ich will eine Menge Bucks und — ein paar Beziehungen. Daß ihr mir sie nicht verschaffen könnt, sieht ein Blinder. Also bringt gefälligst euren Boß her.«
    Der Knochige an der Tür drehte langsam den Kopf nach rechts und blickte seinen Komplicen an. Dann setzten sich beide — wie auf ein lautloses Kommando — in Bewegung. Sie wuchteten auf mich zu, und ich hatte das Gefühl, zwei Panzer seien im Anmarsch.
    Es war eine bedrohliche Situation. Für einen Moment verwirrte mich das Verhalten der beiden. Ich hatte erwartet, daß sie jubelnd auf mein Angebot eingehen würden. Stattdessen machten sie Anstalten, mich samt der Couch in den Boden zu stampfen. Ich beeilte mich, auf die Füße zu kommen. Ich schaffte es gerade noch. Ich stand jetzt am Fußende der Couch. Der Knochige erreichte mich. Er marschierte wie ein Roboter, und als er auf Armlänge an mich heran war, handelte er blitzschnell. Ohne Ansatz, ohne Warnung, ohne Wimpernzucken, ohne ein freundliches Wort rammte er mir seine rechte Faust gegen den Magen, daß ich mich schlagartig an das Gefängnis-Essen von vorgestern erinnern konnte.
    Ich knickte in der Mitte zusammen wie ein ausgeleiertes Taschenmesser. Die Verbeugung, die ich vor dem Knochigen machte, war nicht ganz korrekt, aber tief.
    Heißer Schmerz wogte vom Mägen bis zu den Kinnladen, meine Knie wackelten wie ein schwacher Charakter beim Anblick einer vierstelligen Bestechungssumme.
    Ich sank in mich zusammen.
    Der Knochige grunzte zufrieden.
    Ich zog schnell die Schultern hoch, denn normalerweise mußte jetzt ein Schlag in Richtung Genick erfolgen.

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