0389 - Der Ghoul und seine Geishas
mich noch treffen, nach dem, was mir passiert ist.«
»Und was ist dir passiert?«
»Sie haben Queeny.«
»Ach. Und wer ist das?« Chikane verzog gequält das Gesicht.
»Meine Nichte.« Suko lachte. »Die Ausrede hat man früher gebraucht. Von wegen Nichte. Ich weiß, daß du seit jeher ein Faible für junge Mädchen gehabt hast. Also ist sie nicht deine Nichte gewesen, sondern deine Geliebte. Einigen wir uns darauf?«
»Okay.«
»Gut, Queeny also. Was ist mit ihr geschehen?«
»Die Schweine haben sie geholt.« Chikane schlug bei dieser Antwort mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Einfach geholt, gekidnappt, und ich bin machtlos.«
Wenn seine Worte tatsächlich stimmten, mußte hinter dieser Entführung eine Gruppe stehen, die ungemein mächtig war und die selbst ein Großhehler wie Chikane fürchtete, trotz seiner immensen Beziehungen und seines großen Vermögens.
Suko ließ die Krawatte los. Sie klatschte gegen die Brust des Mannes, der sich den Hals rieb, als könnte er die Druckstellen dadurch vertreiben. »Erzähle mir mehr.«
»Dann bin ich erledigt«, keuchte Chikane. »Wer etwas weiß und es ausplaudert, wird geholt.«
»Von wem?«
»Das Monster kommt. Es frißt dich.«
»Ein Drache?«
»Nein, ein anderer, der ebenso schlimm sein soll. Verdammt, Suko, glaub doch. Dagegen kommen wir nicht an. Die machen uns fertig, die sind brutal, eiskalt…«
»Wer sind diese Leute?« Chikane stand auf. Suko ließ ihn und sagte auch nichts, als sich der Mann langsam von seinem Schreibtisch entfernte. Als der von Suko niedergeschlagene und wieder erwachte Leibwächter seinen Kopf durch den Vorhangspalt streckte, wurde er von Chikane gescheucht. Neben einem kostbaren alten Teeschrank mit zahlreichen Schubfächern und kleinen Läden blieb der Hehler stehen.
»Wenn ich dir jetzt etwas sage, unterschreibe ich mein Todesurteil.« Suko winkte ab. »So leicht stirbt man nicht.«
»Doch.«
»Rede schon.« Der Hehler nickte geschlagen. »Es sind Japaner!« flüsterte er. »Eine ganze Bande, eine Gruppe, die sehr auf Tradition hält.«
»Samurais?«
»Nein, die nicht, aber ebenso gefährlich. Sie glauben an die Macht der Gestirne. Sie heben genau sie in den Vordergrund, denn es gibt eine, die zurückkehren soll.«
»Die Sonnengöttin?« fragte Suko.
»Ja!« schrie der Hehler plötzlich. »Genau die: Amaterasu, die Sonnengöttin.«
Suko schüttelte den Kopf. »Aber wieso? Amaterasu steht auf der Seite des Lichts. Sie würde niemals zulassen, daß Verbrechen geschehen, ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder Susanoo.«
»Ich weiß.« Chikane nickte wieder. »Und ich weiß auch, daß beide gefangen sind. Susanoo soll Amaterasu freigeben, deshalb wollen ihm die anderen Opfer bringen.«
»Welcher Art?«
»Sie rauben junge Mädchen und schaffen sie in ihr Hauptquartier. Das ist alles.«
»Das du natürlich kennst.«
Chikane nickte. »Ja, ich hörte davon. Es soll ein Club sein, in dem Geishas ausgebildet werden. Offiziell wenigstens.«
»Wie heißt der Club?«
»Para…«
Die nächsten Silben sprach Chikane nicht mehr aus, denn in seinem Gesicht malte sich der Schrecken ab. Er starrte zum Vorhang.
Suko merkte, was los war. Mit einem pantherhaften Sprung jagte er über den Schreibtisch hinweg und prallte gegen den wie erstarrt dastehenden Hehler, der durch die Wucht des Aufpralls wie ein Mehlsack zu Boden fiel.
Das war sein Glück.
Der abgeschossene Bolzen mit den goldenen Gleichgewichtsfedern an seinem Ende hätte ihn mitten im Gesicht getroffen. So aber huschte er vorbei. Suko hörte noch das leise, pfeifende Geräusch und dann den etwas dumpferen Laut, als das Geschoß in die Wand fuhr und dort steckenblieb. Die Federn zitterten noch nach.
Während der sonst so abgebrühte Hehler jammerte und klagte, war Suko schon wieder in die Höhe gekommen. Blitzschnell reagierte er. Diesen Killer mußte er einfach kriegen.
Suko riß den Vorhang zur Seite, wandte sich nach rechts und jagte durch den kleinen Flur.
An der Tür sah er den Kerl. Er drehte ihm den Rücken zu und huschte bereits ins Freie.
Der Inspektor hinterher. Kaum hatte er das Haus verlassen, als er das Starten eines Motors vernahm. Es war der Wagen, der bei seiner Ankunft abgeladen worden war. Mit einem geschmeidigen Satz sprang der Killer auf die Ladefläche.
Noch standen die Türen offen.
Suko beeilte sich. Seine Füße schienen den Boden kaum zu berühren, als er dem Kerl nacheilte, zwei Leute zur Seite stieß, die seinen Weg kreuzten, und
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