039 - Der schwarze Abt
hindurchzwängen können. Aber oben leuchtete der blaue Himmel!
»Daher die frische Luft, die wir vorhin spürten, Leslie. Nun wollen wir sehen, wohin uns der Gang führt.«
Er führte nicht weit. Nach wenigen Schritten standen sie an seinem Ende - vor einer Felswand. Sie starrten sich an.
»Wir müssen zurück«, sagte Harry kleinlaut.
Er hatte kaum ausgesprochen, als sie ein entferntes Dröhnen und Getöse vernahm. Den Boden unter ihren Füßen durchlief ein Zittern, und aus dem Gang, der zum Stalaktitenraum führte, quoll eine Staubwolke.
»Warten Sie!«
Es dauerte einige Minuten, bis Harry zurückkam.
»Ein riesiger Felssturz«, berichtete er, »vorne, bei dem Haufen, über den wir klettern mußten. Wir sind abgeschnitten und wohl rettungslos verloren.«
45
Ein heißes Bad und eine Mahlzeit, bei der ihm allerdings jeder Bissen in der Kehle steckenzubleiben drohte, stellten Dick Alford einigermaßen wieder her. Noch gab es eine Hoffnung, wenn auch nur eine sehr schwache. Er hatte einen seiner Verwalter nach London geschickt, um Dynamit zu besorgen, aber da Sprengstoff nicht wie Käse über den Ladentisch verkauft wird, mußte der Mann allerlei Formalitäten erledigen, bevor er den erfolgreichen Abschluß seines Auftrags telefonisch nach Fossaway melden konnte.
Dick Alford, Puttler und Gilder waren auf dem Weg zur Abtei, als sie ein kleines Flugzeug sichteten, das direkt über ihnen Kreise zog, im Gleitflug herunterkam und auf der Langen Wiese landete. Ein Mann kletterte heraus -Arthur Gine.
Gilder runzelte die Stirn, als Gine auf ihn zusteuerte.
»Hier - der Betrag, den ich Ihnen schulde, Gilder!« Er zerrte einen dicken Umschlag aus der Tasche seiner Lederjoppe. »Falls der Franc seit meinem Start in Paris nicht gefallen ist. So, und nun können Sie mir den Buckel 'runterrutschen!«
Gilder nahm den Umschlag stumm in Empfang. Arthur wandte sich an Dick.
»Ich bin gleich zurückgekommen, weil ich aus den französischen Zeitungen von Leslies Verschwinden erfuhr. Ist sie gefunden worden?«
Dick schilderte kurz die Ereignisse der letzten Tage. Als er auf seinen Befreiungsplan zu sprechen kam, wehrte Arthur entsetzt ab.
»Bevor ich mich meinem jetzigen Beruf zuwandte, studierte ich einige Semester Tiefbau, und darum kann ich Ihnen aufgrund meiner, wenn auch nur kärglichen Kenntnisse versichern, daß beim Sprengen eines dieser Luftlöcher der gesamte Brunnen zusammenstürzen würde. Sie dürfen den jahrhundertelangen Verwitterungsprozeß nicht vergessen, dem Mauerwerk wie Gestein ausgesetzt gewesen sind. Wehe denen, die in der Nähe sind, wenn Ihre Sprengzündung losgeht! - Zeigen Sie mir einmal diese Verliese!«
Sie kletterten in das unterste Gewölbe hinab, wo der wuchtige Refektoriumstisch stand. Arthur Gine sah den geneigten Fußboden und tat etwas, was die anderen in dieser Weise nicht versucht hatten. Er stemmte sich gegen die erhöhte Schmalseite des Tisches. Erst langsam, dann immer schneller glitt das Riesenmöbel weg, und Arthur hatte gerade noch Zeit, auf den Sockel zu treten und sich an der Tischkante festzuhalten, um nicht in die gähnende Tiefe, die sich auftat, zu stürzen. Gleich darauf rollte der Tisch von selbst wieder an Ort und Stelle zurück.
Beim zweitenmal wurde er festgeklemmt. Dick sah die eingestürzte Treppe und unten, an ihrem Fuß, etwas Schmales, Dunkles - ein Streifchen Seide. Er sprang hinunter, während die andern noch den Koloß sicherten. Eine Leiter wurde angelegt.
»Gilder«, sagte Dick, »untersuchen Sie mit Puttler den rechten Gang, wir nehmen den linken -.«
Doch die Spirale führte nur bis zu der Mauersperre, an der schon Leslie gestanden hatte. Dick und Arthur kehrten zur eingebrochenen Treppe zurück. Dort warteten auch schon Gilder und Puttler.
»Der rechte Gang«, lautete ihr Bericht, »ist durch Einsturz völlig versperrt.«
Die untergehende Sonne warf ihre letzten Strahlen auf die vier enttäuschten, schmutzigen Männer, die aus dem Spalt des Turms wieder an die Oberwelt traten.
Auf einmal drehte sich Arthur Gine zu Dick um.
»Alford, haben Sie schon an die ›Wunschquelle‹ gedacht?«
»Bei Gott, das ist eine fabelhafte Idee!« rief Dick aufgeregt und rannte zum Fluß hinunter, watete hindurch.
Die Furt, die er benützte, war die ursprüngliche Chelfurt, nach der die Grafen sich nannten. Die ›Wunschquelle‹ aber war eine Felsspalte am andern Ufer des Ravensrill, ein enger Steinschacht von dreißig Zentimeter Durchmesser an seiner breitesten
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