039 - Wolfsnacht
drei Personen übrigblieben.
Er nahm sich vor, diese Leute gleich morgen früh noch einmal auf das schärfste überprüfen zu lassen.
Einmal war es schon geschehen und hatte kein Ergebnis gebracht, doch davon ließ sich Taylor nicht entmutigen. Beharrlichkeit überwindet alles, das war ein Spruch, den er sich zur Regel gemacht hatte.
Vielleicht war eine Kleinigkeit übersehen worden, eine Winzigkeit, der niemand Beachtung schenkte. Beim zweiten Mal würde sie auffallen. Man konnte nicht gründlich und gewissenhaft genug vorgehen.
Es hatte schon zu viele Tote gegeben. Die Öffentlichkeit schrie nach Erfolgen; die Menschen hatten Angst und keine Geduld mehr mit der Polizei. Sam Taylor konnte sie verstehen.
Es gab nichts, was er lieber getan hätte, als der Öffentlichkeit den Kopf des Wolfs auf einem Silbertablett zu präsentieren, aber er war leider auch nur ein Mensch und hatte seine Grenzen.
Wunder durfte niemand von ihm erwarten.
Vielleicht gibt es diesmal eine geringe Chance, ihn zu erwischen, dachte Inspektor Taylor. Er ist verletzt. Nicht schwer, aber immerhin… Die Verletzungen hinderten ihn nicht daran, dieses Mädchen zu töten, aber sie konnten ihn verraten … Das geweihte Silber läßt sich von ihm nicht so leicht verdauen. Vielleicht macht er endlich den entscheidenden Fehler, auf den wir alle schon so lange warten…
Als der Morgen graute, stand Sam Taylor auf, ohne geschlafen zu haben. Wie gerädert fühlte er sich, und in seinem Kopf hämmerte der Haß auf die Bestie, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließ.
Er kochte sich starken Kaffee, den stärksten, den er seinem Magen antun konnte, und stellte sich unter die kalte Dusche. Eisige, nadeldünne Wasserstrahlen versuchten sich in seine Haut zu bohren. Er klapperte mit den Zähnen, stöhnte und ächzte, zwang sich aber, unter der unbarmherzigen Brause stehenzubleiben.
Eine Viertelstunde peinigte er sich selbst, dann hüllte er sich in einen rehbraunen weichen Frotteemantel und begab sich in die Küche, um zu frühstücken.
Lustlos aß er Toast und Ei. Der Kaffee würde ihn einigermaßen auf die Beine stellen, aber wenn ihm noch mehr solche Nächte bevorstanden, würde auch das nichts mehr nützen.
Als er ins Büro kam, holte ihn der Superintendent zu sich, ein großer, gepflegter Mann, eine echte Persönlichkeit, die allseits Achtung und Ansehen genoß.
»Setzen Sie sich, Inspektor«, sagte der Superintendent.
Taylor hatte eine feine Antenne, deshalb fiel ihm die Reserviertheit seines Vorgesetzten sofort auf. »Inspektor« hatte der Mann gesagt, nicht »Sam«, wie sonst immer.
Der Inspektor nahm seufzend Platz.
»Müde?« fragte der Superintendent.
»Ich hatte schon bessere Tage, Sir.«
»Gestern nacht schlug die Bestie gleich zweimal zu. Der Werwolf war eingekreist. Ich verstehe nicht, wie er entkommen konnte.«
»Ehrlich gesagt, ich auch nicht, Sir. Werden Sie mich ablösen?«
»Sie wissen, daß ich keinen besseren Mann habe, Sam.«
»Sam«; jetzt hatte er ihn wieder »Sam« genannt.
»Ich muß heute mittag zum Innenminister«, sagte der Superintendent. »Was soll ich dem Mann erzählen?«
»Sagen Sie ihm, daß alles getan wird, um der Bestie habhaft zu werden.«
»Damit wird er sich nicht zufriedengeben, Sam – fürchte ich.«
»Ich wüßte nicht, was Sie ihm sonst noch sagen könnten, Sir.«
»Heißt das, Sie sind mit Ihrem Latein am Ende?«
»Ich weiß im Augenblick in der Tat nicht weiter«, gab der Inspektor zu.
Der Superintendent ächzte. »Der Innenminister wird mir den Kopf abreißen.«
Sam Taylor lächelte matt. »Reden Sie sich auf die Unfähigkeit Ihrer Leute aus.«
»Sie wissen, daß ich das niemals tun würde. Ich stehe nicht nur vor meinen Leuten, ich halte auch zu ihnen.«
»Das ist zwar äußerst anerkennenswert, Sir, wird für Sie aber von Tag zu Tag mühsamer werden.«
»Mein Gott, Sam, es muß doch möglich sein, diesem Teufel das Handwerk zu legen. Schildern Sie mir genau, was sich gestern ereignete.«
Taylor kam dieser Aufforderung nach.
»Dahl, dieser Unglücksrabe«, sagte der Superintendent, als Sam Taylor geendet hatte.
»Ihm gingen die Nerven durch«, entgegnete der Inspektor. »Das hätte jedem andern auch passieren können.«
»Ich fürchte, dafür wird der Innenminister wenig Verständnis haben.«
»Dann würde ich es ihm an Ihrer Stelle verschweigen, Sir.«
Der Superintendent nickte bedächtig. »Ja, Sie haben recht, Sam, das werde ich wohl müssen.«
Eine halbe Stunde später saß
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