0392 - Der Mörder mit dem Gittertrick
und die Neugierigen weit zurückgedrängt.
Einen Augenblick blendete mich das grelle Tageslicht, und ich schloss rasch die Augen. Als ich dann an mir herunterschaute, musste ich feststellen, dass ich wie ein Strauchdieb aussah. Mein ganzer Anzug war nass und verdreckt. Norman sah noch schlimmer aus, denn er hatte da unten in dem Schacht ein richtiges Bad genommen.
Phil und ich flankierten ihn und gingen rasch auf unseren Jaguar zu. Bis dahin waren es ungefähr 100 Yards. Als ich die Straße überqueren wollte, hörte ich hinter mir Motorengeräusch. Ich blieb stehen und hielt Norman am Arm zurück.
Ich wandte den Kopf und sah den Mercury ziemlich schnell herankommen.
Plötzlich heulte der schwere Motor auf, und dann ging alles blitzschnell.
Der Wagen schoss genau auf uns zu. Fünf Yards vor uns machte er eine Schleife. Ich sah die Hand mit der Pistole aus dem heruntergekurbelten Fenster schnellen und riss Norman zur Seite.
In diesem Augenblick peitschte der Schuss- auf, und mit aufheulendem Motor jagte der Wagen davon.
***
Das Zimmer 271 des St. John Hospitals in Harrison war verdunkelt. Schwester Peggy Brown saß neben dem Bett, in dem der schwerkranke Patient lag.
Aus dem weißen Leinen schaute nur der untere Teil des Gesichts. Schwarze Bartstoppeln sprossen an Kinn und Oberlippe.
Plötzlich ging ein Zucken durch den Körper des Kranken.
Der Atem kam stoßweise. Die Finger der rechten Hand wurden unter der verschobenen Bettdecke sichtbar und verkrampften sich in dem weißen Laken.
»Ganz ruhig bleiben, ganz still bleiben. Tief atmen und ganz ruhig!«, sagte Schwester Peggy mit monotoner Stimme.
Die verkrampften Finger des Kranken blieben in das Laken gekrallt. Der stoßweise Atem wurde ruhiger, und das Zucken des Körpers hörte ganz auf.
Schwester Peggy Brown schaute auf die Uhr. Sie hatte noch fast zehn Minuten Zeit. Dann erst musste die Eiskompresse bei dem Bewusstlosen erneuert werden.
Die Klatschkolumne las sie wie immer Wort für Wort zweimal, und erst dann kam die Titelseite an die Reihe. In der Mitte des Blattes waren die Bilder von vier Männern gedruckt. Sie standen in einer Reihe über der dreispaltigen Balkenüberschrift.
»Diese Gangster!«, murmelte Schwester Peggy Brown mit einer gehörigen Portion Missbilligung in der Stimme. Nach einer Weile legte sie die Zeitung, auf die Bettdecke und seufzte. Schwester Peggy blickte auf die Uhr, stand auf und beugte sich über den Patienten.
Sie kontrollierte den Puls und trug das Ergebnis auf dem Krankenblatt ein, das über dem Kopfende des Bettes hing. Dann löste sie mechanisch, aber mit gekonnten Griffen den Kopfverband des Kranken und nahm vorsichtig die Eiskompresse ab.
Ein völlig kahler Schädel kam zum Vorschein, dessen gleichmäßige Bleichheit durch eine Narbe gestört wurde, die von der linken Augenbraue bis zur Mitte des kahlen Kopfes lief.
Schwester Peggy stutzte.
Sie betrachtete das Gesicht des Patienten genau. Dann trat sie einen Schritt zum Fußende des Bettes und verglich die Bilder in der Zeitung mit dem bleichen Gesicht in den Kissen.
Ihre Augen weiteten sich. Die Schwester ging langsam rückwärts zur Tür, ließ den Bewusstlosen aber nicht aus den Augen. Mit zitternder Hand öffnete sie die Tür und rannte auf den Flur.
Sie prallte fast mit einem der Ärzte zusammen, der ihr im letzten Moment noch auswich.
»Hallo, was ist denn los, Schwester?«, erkundigte sich der Arzt.
»Oh, Herr Doktor! Sie…Sie müssen sofort kommen! Der Patient auf 271…«
Sie brach verwirrt ab.
»Was ist los, Schwester?«, wollte der Arzt wissen und packte die Schwester am Arm. »Hat er schon wieder einen Kollaps? Dann rasch das Sauerstoffgerät!«
»Nein, es ist alles in Ordnung… aber…«
»Was, aber?«, fragte der Arzt und wurde sichtlich ungeduldig.
»Es ist ein gefährlicher Gangster«, sprudelte Schwester Peggy Brown jetzt heraus. »Ich hab’s in der Zeitung gelesen. Er wird von der Polizei gesucht.«
***
Norman schrie auf. Der Mercury fuhr rasend schnell. Ich konnte das Nummernschild deutlich lesen. Von den Insassen war nichts zu sehen. Der Wagen hatte hinten eine Jalousie.
Ich zog Norman hoch. Von dem Fährhaus kamen einige Polizisten angerannt.
»Der Schuss hat ihn getroffen«, knurrte ich grimmig. »Marlowe ist sehr leichtsinnig geworden. Denn jetzt werden wir ihn fassen.«
Die Kugel hatte Norman in der Brüst erwischt, aber zu hoch, als dass das Herz getroffen sein konnte.
Wir legten ihn auf den Boden und rissen
Weitere Kostenlose Bücher