0395 - Luzifers Paradies
befand.
Wo zum Teufel waren die so plötzlich, hergekommen? Sie mußten förmlich aus dem Nichts erschienen sein, denn sonst hätte er doch ihre Schritte hören müssen! Und Schatten hatte er auch keine gesehen, als er die Mäuse ansah.
Er richtete sich taumelnd auf.
Er konnte froh sein, noch zu leben, nach dieser Wucht, mit der der Hieb ihn erwischt hatte.
Aber Sibylle war fort! Sie war entführt worden!
Er konnte kaum denken. Er konnte auch kaum gehen. Alles drehte sich vor ihm, und seine Atembeschwerden ließen auch nur langsam nach. Er taumelte auf das Haus zu, erreichte die Tür und hämmerte mit der Faust dagegen. Dann rutschte er langsam an ihr zu Boden; die Kraft, den Drehgriff zu betätigen, besaß er nicht mehr.
Aber in der Ferne hörte er Sibylle noch einmal schreien — so weit, so unendlich weit fort schon, daß es nur noch leise an seine Ohren drang.
Lauter war da schon Vater Leitners Poltern aus dem Haus als Reaktion auf sein Türhämmern.
»Ja, was ist denn los?« grummelte Lukas Leitner ärgerlich. »Kannst du nicht mal mehr die Haustür allein aufmachen, Sibylle…«
Mit einem Ruck wurde die Tür nach innen aufgezogen. Anton Grundl verlor den Halt und fiel dem Vater seiner Verlobten vor die Füße.
»Ja, was ist denn jetzt los?« staunte der. »Heiliger Josef, hast du dem Mädchen was getan, daß sie dir so eine Ohrfeige gegeben hat?«
Er griff zu und stellte Grundl auf die Beine. Der knickte wieder ein. Leitner zog ihn in die gute Stube und drückte ihn in einen Sessel. Er sah das Blut am Hinterkopf, hörte den pfeifenden Atem des jungen Mannes, und da wurde ihm endlich klar, daß etwas Ernstes geschehen sein mußte. Denn so fest konnte seine Tochter doch nicht zuhauen, daß sie ein gestandenes Mannsbild dermaßen zurichtete.
Ungefragt stellte er Grundl einen Enzian vor die Nase.
Das Glas zum Mund zu führen und zu trinken, reichte Antons Kraft noch aus, aber dann schüttelte es ihn gründlich durch, und er hustete. Einen zweiten Enzianschnaps putzte er dennoch auf ex weg. Da ging es ihm langsam wieder besser, nur das Pfeifen beim Atmen blieb.
Vorsichtig tastete er seine Rippen ab. Da schien doch was gebrochen zu sein.
»Brauchst du einen Arzt, Junge?« fragte Lukas Leitner.
Seine Frau schlug die Hände überm Kopf zusammen. »Was ist denn passiert?«
»Die Riesen«, keuchte Anton. »Sie haben Sibylle… haben sie… entführt… und mir ein Ding verpaßt, daß ich… die Engel im Himmel singen höre… aber die singen ganz schön neben der Tonleiter her…«
»Sibylle entführt?« echote Lukas, und seine Frau schrie auf. »Das ist ja entsetzlich!«
»Mal raus mit der Sprache, aber langsam und verständlich«, sagte Leitner. »Ich will alles wissen. Was ist los?«
Viel konnte Grundl ihm auch nicht erzählen. »Wir unterhielten uns gerade über die Mäuse auf deinem Gehöft, Lukas, weil die frech und dreist herumliefen, während wir da standen… und dann waren plötzlich diese Riesen da. Drei, nein, vier Kerle waren es, wenn ich das richtig mitgekriegt habe. Einer hat mir sofort ein Ding verpaßt, daß ich gegen den Wagen flog… hast du noch einen Enzian, Lukas? Ich bin mit dem Hinterkopf gegen das Auto…«
»Du bist ja verletzt, Junge«, stellte Marie fest. »Ich hole mal ein Pflaster…«
»Für die Rippen brauche ich wohl ein bißchen mehr als ein Pflaster… au…« Er stöhnte auf, als Lukas mal eben freundschaftlich abtastete, wie schwer die Verletzungen waren. »Bist du verrückt, Lukas? Laß das bloß sein… Und dann haben diese Riesen Sibylle weggeschleppt. Ich hab’ sie noch schreien gehört, oben am Berg, gerade als ich an die Tür hämmerte…«
»Ich begreife das nicht«, knurrte Leitner und schenkte sich auch erst mal einen Enzian ein, aber randvoll. Den kippte er weg wie Wasser. »Wer kommt denn auf so was? Wer hat denn was davon, wenn er Sibylle entführt? Das ist doch alles nicht wahr!«
»Doch, Lukas«, ereiferte sich Grundl. »Heilige Maria und Josef, wenn ich doch nur was hätte tun können! Aber dieser Riese hat mich schon mit dem ersten Schlag erwischt…«
»Also vier große Männer«, sagte Leitner kopfschüttelnd.
»Vier Riesen«, sagte Grundl und wollte aufspringen, sank aber sofort stöhnend wieder in den Sessel zurück. »Nicht nur große Männer, Lukas. Vier Riesen! Drei, vier Meter groß! So groß wird kein Mensch!«
»Na, da hat dir aber einer was in den Tee getan, wie? Riesen… so ein Blödsinn!«
»Der Nachtmahr war auch kein
Weitere Kostenlose Bücher