0395 - Luzifers Paradies
ruhiger, weil sie sich diese Musterung schweigend gefallen ließ. Er betrachtete das einzige, was sie noch trug - ihr goldenes Stirnband mit dem Symbol des Silbermondes. »Ein seltsames Zeichen dünkt mich dies«, sagte er. »Macht liegt darin. Große Zaubermacht. Wie darf ich dich anreden, schöne Jung… schöne Frau?«
»Teri nenne mich. Ich bin eine Druidin.«
»Eine Druidin… ich ahnte es, als ich dich das erste Mal sah, unten am Paß«, stieß er hervor. Geschickt schwang er sich aus dem Sattel und stand jetzt neben dem Pferd. Erreichte Teri gerade bis knapp zum Bauchnabel und sah jetzt zu ihr auf. »Warum willst du meine Geschenke verschmähen, die ich dir machen will? Wisse, daß ich nie eine Frau wie dich sah, und daß ich nie eine Frau so reich wie dich beschenken wollte!«
»Und wo ist der Haken?« fragte sie.
»Es gibt keinen Haken. Wieso denkst du schlecht über mich? Ich bin Laurin!«
»Laurin, der den Recken Dietrich zweimal verriet«, sagte Teri. »Zwergenkönig, ich traue dir nicht. Vor allem nicht, solange du mir meine eigene Kleidung vorenthalten willst. Wer sagt mir, daß die Gewänder, die du mir schenken willst, nicht mit einem Zauber versehen sind?«
»Wer sagt dir, daß du nicht längst dem Zauber dieses paradiesischen Landes unterliegst?« erwiderte er spöttisch.
Aber dann wurde er jäh ernst.
»Druidin Teri«, sagte er, und er brachte es gar fertig, sich vor ihr zu verneigen. »Ich habe dich hergeholt, weil ich deine Hilfe brauche.«
»Meine Hilfe?« Verwundert sah sie ihn an. »Wie kann ein mächtiger König wie du, der Dutzende von Zaubermitteln besitzt, meine Hilfe benötigen?«
»Wenn du mit mir kommst, werde ich dir den Grund nennen und deine Hilfe erbitten«, sagte er. »Und ich werde dich mit allem beschenken, was dein Herz begehrt.«
Sie sah das kleine, aber so mächtige Geschöpf an, das doch uralt sein mußte. Und trotzdem wirkte Laurin nicht alt. Er sah relativ jung aus, und so zwergenhaft unproportioniert sein Körper war, so schön war sein Gesicht. Teri glaubte einen Engel vor sich zu sehen.
Einen Engel, dem dieses Paradies gehörte… diese paradiesische Hölle…
»Mit allem, was mein Herz begehrt? Auch mit der Freiheit für mich und die anderen Geschöpfe, die hier gefangengehalten werden?«
Er schluckte.
»Wenn es in meiner Macht steht - ja! Willst du nun mit mir kommen in mein Zauberreich?«
Teri dachte an das, was Sibylle ihr erzählt hatte. An die Sage und daran, daß Laurin dem Gotenkönig mehrmals die Treue geschworen und ihn ebenso oft verraten und bekämpft hatte. Aber Dietrich von Bern war ein Mann gewesen, ein Recke, ein Held. Teri war eine Frau.
Und Laurin hatte Dietrich und seine Mannen nie um Hilfe gebeten, sie aber schon!
Sie würde das Risiko auf sich nehmen können.
»Ich werde dir folgen«, sagte sie. »Aber hüte dich, mich übertölpeln zu wollen. Ich bin eine Druidin, und meine Zauberkraft ist der des großen Merlin gleich.«
Er zuckte zusammen, als sei er von einem Peitschenhieb getroffen worden. »Merlin? Du kennst ihn, den großen Alten aus dem Keltenland?«
»Und wie ich ihn kenne, meinen Lehrmeister!«
»So lebt er noch? Und du, schöne Teri, bist seine Schülerin? Oh, du wirst mir helfen, und ich werde endlich -Rettung finden… Komm, ich bitte dich, mir zu folgen!« Und schon saß er wieder im Sattel seines Pferdes und ritt an.
Er ritt langsam, so daß Teri ihm ohne Mühe folgen konnte. Kopfschüttelnd ging sie neben ihm her einem unbekannte Ziel entgegen.
Hinaus aus diesem Paradies…?
***
Lukas Leitner war aus seinem Wunderglauben schnell wieder auf den harten Boden der Wirklichkeit zurückgeholt worden und hatte zu akzeptieren, daß die Polizei aus Bozen so schnell nun doch wieder nicht sein konnte.
Trotzdem begrüßte er die Ankömmlinge herzlich und bat sie ins Haus. »Fräulein Rheken ist allerdings noch nicht wieder zurückgekehrt, Herr Professor«, erklärte er. »Dafür kommen Sie nun zu einem leider etwas ungünstigen Zeitpunkt. Entschuldigen Sie, wenn ich Heute abend ein schlechter Gastgeber sein werde, aber wir warten auf das Eintreffen der Polizei…«
»Was ist denn passiert?« wollte Zamorra wissen.
»Unsere Sibylle ist entführt worden«, rief Marie Leitner aus dem Hintergrund, wo sie damit beschäftigt war, Weingläser aus dem Schrank zu holen. »Es ist so furchtbar, so schrecklich… wer kann nur so etwas tun?«
Zamorra sah den jungen Mann, der ihnen als Anton Grundl vorgestellt worden war,
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