0396 - Mord-Marionetten
Fraß, den man ihr vorsetzte, war etwas für Schweine. Irgendein braunes Gemisch aus Nudeln, viel Sauce und ein paar Gemüsestreifen.
Allein der Geruch ließ ihren Appetit vergehen.
Moira schob das Essen zur Seite, bevor sie aufstand und an die Tür trat. Sie legte das Ohr gegen das Holz und lauschte.
Nichts war mehr zu hören. Die Männer hatten sich mit dem Verletzten zurückgezogen. Wahrscheinlich würden sie ihn ausfragen, sobald er wieder bei Besinnung war, und anschließend kam sie an die Reihe.
Wahrscheinlich würde auch Sinclair kommen.
Und auf ihn freute sie sich besonders.
Sein Name stand für alles! Er hatte das gewaltige Imperium ihres Bruders zerstört, die Armee von Zombies und auch die Insel Voodooland vernichtet. Dafür musste und würde er büßen, wenn es im Augenblick auch nicht danach aussah. Aber sie würde diesen verdammten Wänden entfliehen, das stand fest, und dann gab es keine Kompromisse mehr.
Wieder schielte sie zur Tür hoch. Von dort war ihr jemand zu Hilfe geeilt. Auf eine unerklärliche magische Art und Weise, aber Moira wusste sehr genau, dass es viele Dinge auf der Welt gab, die man mit dem Verstand nicht erklären konnte. Sie glaubte an den Wert der Hölle, an ein bestimmtes Leben nach dem Tode, und sei es auch nur ein zombiehaftes, ein untotes.
Über das Gesicht glitt ein Lächeln. In Moiras Augen trat ein gewisses Funkeln. Wer sie näher kannte, der wusste jetzt, dass sie unter einer gewissen Spannung stand und diese auch für sich ausnutzen konnte.
Moira tastete…
Sie war ein Mensch, der fühlen konnte. Sie nahm Dinge wahr, die andere nur rochen. Sie reagierte auf Strömungen, die im Unsichtbaren ihren Ursprung hatten und auf sie zuglitten.
Jemand wollte mit ihr Kontakt aufnehmen.
Eine direkte Stimme vernahm sie nicht, aber da war etwas in ihrem Hirn, das sie als laute Gedanken empfand und auch gedanklich darauf antwortete.
»Wer bist du?«
»Denk an früher…!«
»Wieso?«
»Als dein Bruder und du noch Kinder wart, da hast du mich gesehen. Ich kam in euer Dorf, ich war da und belustigte euch. Ihr habt mir zugesehen. Ihr wart erfreut, als ich meine Arbeit aufnahm…«
Plötzlich wusste sie Bescheid. Über ihr dunkles Gesicht glitt ein Leuchten. Den folgenden Satz flüsterte sie. »Dann bist du Mr. Doll – oder nicht?«
»Ja, erraten…«
Auf einmal begann Moira zu zittern. Sie dachte an ihre Jugend und an den Mann, der in das Dorf gekommen war und stets von einem Schleier des Geheimnisses umgeben war.
Doll hatte schon damals in seinen gespielten Stücken von einem geheimnisvollen Zauber berichtet, den er beherrschte. Für ihn waren die Puppen mehr als nur Gegenstände gewesen, mit denen man spielen konnte. Sie waren lebendige Wesen, die in hellen Vollmondnächten auf Waldlichtungen tanzten, sangen und lachten.
Ständig musste Moira an Mr. Doll denken, mit dem sie sich damals so lange unterhalten hatte und der ihr eines versprach: Falls es ihr einmal schlecht gehen sollte, würde er sich an sie erinnern.
Jetzt ging es ihr schlecht, aber wieso hatte der andere überhaupt ihre Spur aufnehmen können? Er war durch die Insellandschaft der Karibik gezogen, und er hätte damals schon alt und heute längst begraben sein müssen. Trotzdem lebte er.
Sie holte tief Luft. Auf einmal zitterten ihre Knie. Schweiß drang aus den Poren und zeichnete ein Muster auf ihre Stirn. So leicht war sie durch nichts zu erschüttern, aber diesmal konnte sie nicht anders. Vorsichtig ging sie zurück und setzte sich hin.
Minuten vergingen. Als sich Moira erholt hatte, versuchte sie vergeblich, Kontakt mit Mr. Doll aufzunehmen. Er meldete sich nicht, blieb still und im Hintergrund.
Dafür hörte sie etwas anderes.
Schritte!
Vom Gang her drangen die Echos bis in ihre Zelle. Vor der Tür verstummten sie. Moira Cargal wusste genau, was sie erwartete.
Das jedoch schreckte sie nicht.
Im Gegenteil, sie freute sich darauf, und ein breites Lächeln huschte über ihre sinnlichen Lippen…
***
Die Scherben des Fensters flogen uns entgegen. Und mit ihnen jagte die Puppe ins Zimmer.
Dieser Kasper mit den bösen, roten Augen, dessen Maul weit aufgerissen war, sodass dieses hässliche, krächzende Lachen an unsere Ohren drang.
In den folgenden beiden Sekunden tat ich nichts. Ich war einfach zu geschockt und nahm allein das Bild auf, das sich mir bot. Suko stand rechts von mir und ziemlich weit vom Fenster entfernt. Glenda trat näher zur Tür hin. Sie hatte das Pech, von den Scherben
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