0396 - Mord-Marionetten
bereit?
Ich wartete ab.
Auch sie wartete.
Wir starrten uns gegenseitig in die Augen.
Ich hörte meinen Herzschlag. Verdammt, meine Hand lag nahe der Beretta, aber ich konnte sie einfach nicht ziehen. Jede Bewegung würde von der anderen Seite missverstanden werden, und dann brauchte sich die verfluchte Schlinge nur zuzuziehen.
»Jetzt bist du in meiner Gewalt, Sinclair!«, flüsterte sie mir zu.
»Aber das warst du ja schon einmal. Da bist du entkommen. Heute gibt es kein Entrinnen mehr für dich. Ich habe einfach zu viele Helfer, und es kostet mich nur ein Fingerschnippen, und deine Kehle würde langsam aufgeschnitten.«
»Dann tu es doch!«, rief ich.
»Nein!«
Die Antwort kam für mich so überraschend, dass ich nicht in der Lage war, etwas darauf zu erwidern. Ich hätte gern den Kopf geschüttelt, um wenigstens etwas zu tun, aber auch das traute ich mich nicht. Wollte sie es sich schwerer machen?
»Du begreifst mich nicht, wie?«
»So ist es.«
»Dann werde ich es dir erklären. Du hast mir mehr angetan, Geisterjäger, als jeder andere zuvor. Ich hasse dich bis auf den Grund meiner Seele. Du hast mir alles genommen, und deshalb werde ich dich persönlich töten. Das Zerschneiden deiner Kehle wäre einfach zu billig. Ich habe einen anderen Plan gefasst und werde ihn auch durchführen. Lass dich davon mal überraschen, Geisterjäger.«
»Und wie?«
Sie griff nach hinten und ging dabei einen Schritt zurück, sodass sie ihre Hand auf die Altarplatte legen konnte. Im ersten Moment wusste ich nicht, was das sollte, bis ihre Hand wieder in den Lichtkegel des Scheinwerfers geriet.
Und jetzt hielt sie etwas zwischen den Fingern.
Es war ein Messer!
Und zwar genau die Klinge, die die Figur gehalten und mit der sie den Mann getötet hatte.
Ich wusste Bescheid und sah den weiteren Bewegungen meiner Feindin zu, wie sie sehr langsam den rechten Arm anhob und das Messer so hielt, dass es ungefähr in der Höhe ihres Nasenrückens stand und ich auf die Schneide schauen konnte.
»Damit bringe ich dich um«, sagte sie. »Aber vorher wirst du gefesselt. Du wirst Schmerzen erleiden müssen, wenn die Fäden auf dich zuschwingen und…«
»So weit kommt es nicht, Süße!«
Die kalte Stimme war da, und schlagartig änderte sich die Lage…
***
Selbst Moira Cargal war nicht gewarnt worden, und sie zuckte zusammen, als hätte sie einen Schlag erhalten. Ihre Augen weiteten sich, der Mund begann zu zittern, aber sie hielt sich noch und drehte den Kopf, um an mir vorbeizuschauen.
»Wer seid ihr?«, fragte sie.
»Zwei, die dich haben wollen!«
»Die von der Tankstelle?«
»Ja.«
Ich sah die beiden nicht, weil ich ihnen den Rücken zudrehte. Zudem standen sie im Dunkeln.
Moira lachte. »Ihr geht besser weg und vergesst mich. Noch lebt ihr, und ihr wollt es auch weiterhin. Euer Freund ist schon tot. Lauft, noch habt ihr die Chance!«
Sie liefen auch. Zuerst dachte ich an ihren Rückzug, dann hörte ich an den Laufgeräuschen, dass sie in die entgegengesetzte Richtung gingen und auf uns zukamen.
»Irrtum, Süße«, erklärte der Sprecher. »Wir bleiben!«
Moira holte tief Luft. Ich wusste, dass sie gleich durchdrehen würde, deshalb versuchte ich es mit einer Warnung an die Adresse der beiden Männer. »Verdammt, verschwindet, wenn euch euer Leben lieb ist. Haut ab, zum Henker!«
»Niemals!«
»Dann eben nicht«, sagte Moira, ließ ein Lachen hören und legte den Kopf in den Nacken. »Mr. Doll, zeig den beiden, wer hier der große Meister ist. Ab jetzt gehören sie den Puppen!«
***
Nicht allein ich hatte die Worte vernommen, auch die beiden noch im Hintergrund stehenden Männer. Sie hatten sowieso vieles von der vor ihnen stattfindenden Unterhaltung mitbekommen, zwar alles verstanden, aber nur wenig begriffen.
Auch den letzten Befehl nahmen sie nicht richtig ernst, und das sollte sich rächen, denn man kann sich nicht allein auf irgendwelche Schusswaffen verlassen.
Hätten sie in die Höhe geschaut, wären ihnen vielleicht die beiden dort unter dem Zeltdach lauernden Hände aufgefallen, die sich plötzlich bewegten, sodass auch die Marionettenstange nicht mehr ruhig blieb und damit begann, die Puppen in einen gewissen Rhythmus zu bringen. Sie tanzten – und sie schwangen!
Ian Dentry erwischte es zuerst. Er wollte nach vorn laufen, wo der Lichtkegel den Altar und auch die Umrisse des Mannes und der Frau aus der Dunkelheit riss, aber Dentry kam nicht mal zwei Schritte weit.
Das Brennen an seinem Handgelenk
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