0396 - Wer erstach Jerry Cotton?
angesehen hatten. Auch dabei fanden wir nichts. Danach streiften wir uns Gummihandschuhe über, machten rasch die nötigen fotografischen Aufnahmen und leerten endlich die Taschen des Leichnams. Jeder einzelne Gegenstand wurde aufgeschrieben. Die Gummihandschuhe trugen wir nur vorsichtshalber, falls es sich später als nötig erweisen sollte, auf den Besitztümern des Toten nach irgendwelchen Fingerspruen zu suchen.
Wie aus den Papieren hervorging, hieß der Mann Edwin Fuller und lebte in Lincoln Park, einer Ortschaft, von der wir bis dahin noch nichts gehört hatten. Fest stand für uns lediglich, daß sie im Staate New Jersey liegen mußte, denn das ging ebenfalls aus den Papieren des Toten hervor. Die beiden Polizisten der State Police kannten dieses Lincoln Park auch nicht.
Um vier Uhr zweiundfünfzig setzte ich mich in den Jaguar und rief über Sprechfunk unsere Leitstelle in New York City. In der Luftlinie waren wir wahrscheinlich keine dreißig Meilen von unserem Distriktgebäude entfernt, und diese Entfernung wurde von unserem Sender mühelos bewältigt. Die Stimme von Ben Hook klang so deutlich, als ob der Jaguar in einer Straße von Manhattan stünde.
»Schreib auf, Ben«, bat ich, »und veranlasse alles Weitere. Seine Dienststelle muß benachrichtigt werden. Der Vorgesetzte dort soll entscheiden, ob man seine Anghörigen augenblicklich verständigen will oder ob es besser ist, bis in die Morgenstunden zu warten.«
»Okay, Jerry. Schieß los!«
»Die Personalien zuerst…«, sagte ich und las sie der Reihe nach vor mit allem, was dazu gehörte. Darauf folgte eine Beschreibung des Fundortes. Selbst die Namen der Leute von der State Police, die den Fundort bewacht hatten, gab ich durch. Als alles gesagt war, was ich zu sagen hatte, kam Ben Hook mit einer Neuigkeit heraus:
»Übrigens gibt es etwas Neues, was mit diesem Sorrensky zusammenhängt, Jerry. Wie ich hörte, bekam der Chef aus Washington Bescheid, daß noch mehr Leute verschwunden sind, die damals bei dem Überfall beteiligt waren.«
»Steck dir deinen Sorrensky an den Hut«, sagte ich und gähnte. »Der Fall, den wir hier anstehen haben, wird verzwickt genug, hab’ ich im Gefühl.«
Ich stieg wieder aus. Phil stand bei den beiden Streifenpolizisten und trank schwarzen, stark gesüßten Tee, der in einer Thermosflasche heiß gehalten wurde. Der ältere der beiden Cops bot auch mir einen Becher an.
»Nett von Ihnen«, sagte ich. »Man kann es brauchen. Die Müdigkeit kommt immer um diese Zeit, ob man will oder nicht.«
Wir tranken Tee, rauchten und standen ein wenig sinnlos auf der Straße herum. Die Routinearbeit war getan. Nun kamen die Gedanken.
»Sir«, sagte der Mann mit der Thermosflasche treuherzig, »darf man fragen, was Sie von der Sache halten?«
Er sah mich so erwartungsvoll an, als rechnete er fest damit, aus meinem Munde wenigstens den Namen des Mörders zu hören. FBI - wer weiß, welche Wunder er sich von diesen drei Buchstaben versprach.
»Ich fürchte, ich werde Sie enttäuschen müssen«, brummte ich und gab ihm den leeren Becher seiner Thermosflasche zurück. »Eigentlich kann man noch gar nichts sagen. Gewiß, da sind ein paar Kleinigkeiten, aber sie bedeuten nicht allzuviel.«
»Was denn Sir?« fragte er. In seinem furchenreichen Gesicht stand ein Vertrauen, das an die Gläubigkeit von Kindern erinnerte.
»Der Tote ist erschossen worden«, murmelte ich nachdenklich, »und zwar aus einiger Nähe - höchstens sechs Schritt, denn es gibt an der Einschußstelle noch Pulverspuren. Well, wer ist so wahnsinnig, einen Polizisten zu erschießen? Darauf gibt es eigentlich nur zwei Antworten: Entweder ein Mann, der im Augenblick des Schusses ganz von Sinnen ist, oder einer, der ganz bewußt und kaltschnäuzig diesen Polizisten ermorden will — aus welchem Grunde auch immer. Also ein regelrechter Gangster.«
»Siehst du, Joe!« sagte der ältere Polizist und nickte.
»Die Tatsachen sprechen für den Gangster«, fuhr ich fort. »Ein Mann allein konnte ihn kaum hierhertransportieren. Dazu ist Fuller viel zu schwer. Sehen Sie sich diesen Bären doch an! Das müssen mehrere gewesen sein. Vielleicht eine ganze Bande von Gangstern.«
Sorrensky, schoß es mir plötzlich durch den Kopf. Sorrensky und seine Komplizen von damals. Oder konnte es wirklich nur ein bedeutungsloser Zufall sein, daß sie erst vor wenigen Tagen aus den Städten, in denen sie seit ihrer Entlassung aus dem Zuchthaus gelebt hatten, verschwunden waren? Gab es
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