0396 - Wer erstach Jerry Cotton?
eine Verbindung zwischen Edwin Fuller und dem Überfall auf die Mac-Mahone-Lohngelder, der elf Jahre zurücklag?
***
Die Uhr zeigte auf sechs. Längst war die Sonne aufgegangen an einem wolkenlosen Himmel. Es versprach ein heißer Tag zu werden. Als Phil und ich die Türen des Jaguar zuschlugen, erwachte Lincoln Park mit seinen sechstausend Einwohnern allmählich zum Leben. Zwar zwitscherten in den baumbesäumten Straßen der Kleinstadt schon zahllose Vögel, aber es waren noch nicht viele Menschen in den Straßen zu sehen.
Hinter uns hielt eine Station Car der Staatspolizei von New Jersey. Ich ging zu dem Wagen und bat den Fahrer:
»Warten Sie hier.«
»Ja, Sir«, erwiderte er.
Phil und ich stiegen ein paar Stufen hinan. Zur linken Hand gab es eine Tür mit der Aufschrift POLICE STATION. Wir machten sie auf Und gingen hinein. Ein mittelgroßes Zimmer lag vor uns, eingerichtet wie hundert andere Polizeireviere: alt, abgenutzte Büromöbel, Steckbriefe und ein Reklame-Abreißkalender an der einzigen Wand, die nicht von Fenstern oder Schränken beansprucht wurden, und als einziger Luxus der Fernschreiber neben einer Verbindungstür.
Hinter dem Pult saß ein ergrauter Sergeant. Vor ihm standen zwei Männer in den mittleren Jahren und hielten ihre Streifenbücher in der Hand. Alle drei wandten die Köpfe, als wir erschienen.
»Guten Morgen«, sagten wir.
Sie brummten etwas. Der Sergeant stemmte sich hoch und kam uns zwei Schritte entgegen. Er hatte übermüdete Augen mit geröteten Lidern.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte er.
Ich zückte mein Etui und nannte Phils und meinen Namen. Ihre Gesichter strafften sich plötzlich. Der Sergeant räusperte sich.
»Sie - Sie haben Ed mitgebracht? Nicht wahr?«
Wir nickten.
»Wo ist er?« fragte der Sergeant.
»Draußen. Ein Lieferwagen Ihrer Staatspolizei ist hinter uns hergefahren.«
Der Sergeant nickte. Die Falten in seinem Gesicht schienen sich tiefer einzugraben. Langsam glitt sein Blick über unsere Gesichter.
»Sie kannten ihn natürlich nicht«, murmelte er. »Aber lassen Sie es sich gesagt sein: Er war ein echter Kerl…«
Müde machte er kehrt und ging zur Tür. Die beiden Patrolmen hasteten hinter ihm her. Ich rieb mir über die brennenden Augen. Phil stieß mich wortlos an. Als ich aufblickte, entdeckte ich seine Zigarettenpackung. Ich nahm eine und nickte.
Es dauerte lange, bis sie wieder hereinkamen. Ihre Gesichter waren zu Masken gefroren. Der Sergeant setzte sich wieder an sein Pult und stierte auf die tintenbefleckte, grüne Schreibunterlage. Die beiden Streifenpolizisten hatten sich nebeneinander auf eine alte, wurmstichige Holzbank gesetzt. Der eine hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht zwischen den schwieligen Händen begraben. Der andere saß weit zurückgelehnt und starrte hinauf an die fleckige Decke. Niemand sagte ein Wort.
Auf einmal flog die Verbindungstür auf. Ein Mann von vielleicht vierzig Jahren stand auf der Schwelle. Er trug eine Uniform-Stiefelhose mit gelb-rot gestreiften Hosenträgern, ein zerknittertes, am Halse offenes Hemd und dicke braune Wollsocken. Das dünne strähnige Haar hing in die Stirn. Sein Blick glitt rasch einmal in die Runde, verweilte eine Sekunde bei uns, und dann drehte er sich um und verschwand so jählings, wie er gekommen war. Aber drei Atemzüge später war er wieder da, und jetzt trug er seine Stiefel, hatte eine Schirmmütze auf und knöpfte sich gerade den Uniformrock zu.
Der Mann kam auf uns zu.
»Ich bin Will Snyder«, sagte er mit einer sonoren Stimme. »Seit acht Jahren Polizeichef von Lincoln Park. Ich habe neun uniformierte Polizisten und drei Männer, die Dienst als Kriminalbeamte machen. Mit mir sind das dreizehn Mann. Sagen Sie uns, was wir tun sollen. Wir werden es tun.«
Ich schlug in die dargebotene kräftige Männerhand ein. Die Bartstoppeln in seinem Gesicht zeigten deutlich, daß er die ganze Nacht über nicht zu Hause gewesen war. Wieder einmal nannten wir unsere Namen. Danach berichteten wir, unter welchen Umständen und wo Edwin Fuller gefunden worden war. Der Polizeichef der kleinen Einheit und sein wachhabender Sergeant hörten zu, als wollten sie jedes Wort, das wir sagten, auswendig lernen. Die beiden Patrolmen waren vorher gegangen.
»Was soll jetzt mit ihm geschehen?« fragte Snyder, als wir geendet hatten.
»Der Leichnam muß obduziert werden«, antwortete Phil.
Synder nickte. »Okay«, sagte er dann. »Dann wird er auch nicht mehr so schlimm
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