0397 - Der Fluch des Inka
verderbliches Fleisch übrig, das nicht gegessen werden könne, und das könne er als Koch nicht verantworten…
Schließlich nahm Zamorra eine Handvoll Erde auf und schleuderte sie haarscharf an dem Chinesen vorbei. »Halt die Klappe«, rief er ihm verärgert zu. »Du machst mich matschig mit deinem Kauderwelsch.« Das laute Gezeter des Chinesen blockierte immer wieder seine Denkprozesse.
Beleidigt zog Chang sich in die Küche zurück.
»Jetzt hast du ihn verärgert«, sagte Nicole. »Es ist nicht gut, sich den Zorn eines Koches zuzuziehen. Er könnte dir das nächste Essen fürchterlich versalzen.«
»Wenn das deine einzige Sorge ist«, murmelte Zamorra. »Ich muß in Ruhe nachdenken, und das kann ich nicht, wenn dieses Sprachgenie pausenlos herumradebrecht. Verflixt, ich weiß, daß ich die Lösung schon förmlich in der Hand gehabt haben muß…«
Im gleichen Moment durchzuckte es ihn siedend heiß.
In der Hand gehabt…
Das konnte die Lösung sein, der gemeinsame Nenner, der auf jeden zutraf, der verschwand!
Er sprang auf. Er mußte die anderen befragen. Er war der Lösung jetzt auf der Spur. Erregt stürmte er auf Trevor und O’Sullivan zu, die ihm am nächsten standen, als er plötzlich erkannte, daß er selbst ebenfalls zu den Gefährdeten gehörte, wenn sein Verdacht stimmte.
Aber noch ehe er die beiden Männer ansprechen konnte, verschwanden sie vor seinen Augen.
Erst Sekunden später begriff er, daß nicht sie, sondern er verschwunden war…
***
Nicole wurde blaß, als sie sah, wie Zamorra im Schein des Lagerfeuers blitzschnell schrumpfte und im Schrumpfen durchsichtig wurde, um zu verschwinden. Sie lief zu ihm, versuchte ihn zu ertasten, aber sie griff nur noch ins Leere.
Zamorra war fort…
Aufgelöst wie die anderen…
Auch Trevor und O’Sullivan packte jetzt das Grauen. Sie wichen von der Stelle zurück, an der der Parapsychologe verschwunden war. Sicher, sie kannten ihn doch eigentlich von früher her und mußten wissen, daß er manchmal auch scheinbar Unmögliches fertigbrachte. Aber sie sahen nur, wie er verschwand, wie es den Mann ebenfalls erwischte, der ihnen eigentlich hatte helfen sollen. Und das nur wenige Stunden nach seinem Auftauchen im Camp…
Nicole kämpfte ihre eigene Panik mühsam nieder. Sie wollte versuchen, die Forscher zu beruhigen. Sie wollte ihnen eine Schein-Erklärung liefern – ihnen weismachen, es handele sich um einen von Zamorra gesteuerten Versuch, zu der unbekannten Macht vorzustoßen, die Menschen verschwinden ließ, um das übel dort an der Wurzel zu packen. Ein beachtlicher Teil Selbstbetrug war bei dieser Erklärung natürlich auch dabei; sie wollte einfach nicht wahrhaben, daß ihrem Gefährten etwas zugestoßen war und klammerte sich wider besseres Wissen selbst an ihre eigene Schein-Erklärung.
Aber sie sah, daß sie damit nicht durchkam. Die Archäologen waren nicht fähig, ihre Worte aufzunehmen und zu akzeptieren. Sie hatten nur noch Angst.
Die hatte Nicole auch.
Wenn der Verdacht stimmte, den sie in Zamorra aufblitzen gesehen hatte, und der jetzt auch in ihr immer stärker wurde, war sie selbst in Gefahr.
Die Lösung in der Hand gehabt!
Das goldene Amulett mit dem Vexierbild-Modell einer Blauen Stadt!
Verschwand tatsächlich jeder, der es in der Hand gehabt hatte?
Was hatte Zamorra von Tendyke erfahren?
Die Grabräuber hatten es bereits in Händen gehabt, dann aber wieder zurücklassen müssen, weil Tendyke eingriff!
Tendyke hatte es in den Händen gehalten. Zamorra und Nicole ebenfalls!
Zumindest in diesem eng begrenzten Personenkreis der Verschwundenen gab es diesen gemeinsamen Nenner! Und wenigstens ein bis zwei der Archäologen mußten dieses Amulett ebenfalls berührt haben, als sie es bargen und verpackten! Wahrscheinlich sogar mehrere von ihnen!
Pedro! Alvarez! Guillaume! Esteban Kalmauc! Evita Suarez!
Es war durchaus vorstellbar, daß die goldene Scheibe von Hand zu Hand gegangen war. Aber in welcher Reihenfolge? Oder spielte die keine Rolle?
In dem Falle hatte Nicole vielleicht noch etwas Aufschub. Falls das Verschwinden aber in der Reihenfolge des Berührens geschah, dann hatte sich dieser Vorgang, der vor etwa zwei Tagen begonnen hatte, in den letzten Stunden enorm beschleunigt. Die Grabräuber hatten beispielsweise immerhin genug Zeit gehabt, um bis nach Iquitos zu fahren und dort Kontakt mit dem Hehler Batiano aufzunehmen…
Aber bei einer solchen Beschleunigung blieben Nicole möglicherweise nur noch Minuten, bis
Weitere Kostenlose Bücher