0398 - Herr der blauen Stadt
etwas besser an Trevors Fesseln herankam.
Es mußte doch eine Möglichkeit geben, die verdammten Knoten zu lösen…
Als sie mit einem der Geländewagen aus dem Camp flohen, um nicht auch zu Opfern des rätselhaften Verschwindens zu werden, waren sie von den Huaqueros überfallen worden. Die hatten nicht weit vom Camp entfernt den Wagen gestoppt und übernommen. Sie hatten den beiden Archäologen Waffen und Werkzeug abgenommen und sie mit Nylonschnüren gefesselt. Die ließen sich nicht zerreißen, sondern schnitten allenfalls in die Haut ein, und die Knoten waren so verflixt winzig, daß man sie kaum aufbekam. Trevor hatte es zuerst bei der Studentin versucht, war aber daran gescheitert. Da hatte sie sich erboten, seine Fesseln aufzudröseln.
Die Fingernägel konnte sie sich nicht daran abbrechen, weil sie sie kurzgeschnitten hatte. Modisch lange Nägel waren bei der Ausgrabungsarbeit eher hinderlich und lästig. Trotzdem hatte sie Schwierigkeiten.
Die beiden Menschen waren über und über eingerollt und verschnürt worden, die Hände trugen sie auf den Rücken gebunden. So mußte Moana Ticao nur nach Gefühl arbeiten. Sie konnte die Knoten nicht sehen, an denen sie sich versuchte.
Nach außen gab sie sich ruhig. Innerlich aber verfluchte sie die Grabräuber und wünschte ihnen die Pest auf den Hals. Eiskalt hatte der Anführer der Huaqueros den beiden Forschern klar gemacht, daß es ihm völlig egal sei, ob sie von wilden Tieren überfallen würden oder von den Rädern der Geländewagen zermalmt, wenn die Huaqueros mit den erbeuteten Fahrzeugen das Camp verließen.
Die beiden Archäologen hatten sich zum Rand des Pfades gerollt. Aber der war schmal und bot gerade den Fahrzeugen Platz. In das Dickicht eindringen konnten die beiden Gefesselten nicht, und sie brauchten etwas Bewegungsspielraum, um gegenseitig ihre Fesseln bearbeiten zu können.
»Himmel, diese Dreckskerle können jeden Moment zurückkehren und uns in Grund und Boden fahren«, drängte Trevor wieder.
»Halt den Mund«, befahl Moana kühl. Sie fügte eine spanische Verwünschung hinzu. Plötzlich fühlte sie, wie einer der Knoten unter ihren Fingerspitzen nachgab. Die Nylonschnur lockerte sich.
»Einen habe ich…«
»Beeile dich doch!« drängte Trevor. »Es gibt doch noch mehr Knoten, verdammt…«
Moana erwiderte nichts. Durch eine kleine Lücke im Blätterdach drang etwas Mondlicht auf den Pfad herab. In diesem Licht sah Moana eine Schlange herankriechen. Die Schlange bewegte sich auf dem Boden direkt auf die beiden Menschen zu.
Eine Anakonda!
Was machte das verflixte Biest hier unten auf dem Boden? Anakondas pflegten sich doch in den Bäumen aufzuhalten und ließen sich von den Ästen, in deren Laubwerk sie lauerten, auf ihre ahnungslosen Opfer herabfallen, um sie zu umschlingen und ihre Knochen zu zerdrücken!
Moana fand nur eine Erklärung: dieser Riesenschlange war ihr ursprüngliches Opfer entwischt, und sie befand sich noch auf dem Boden.
Das hieß, daß das Reptil hungrig war. Keine Chance, einen Angriff zu vermeiden…
Hoffentlich entdeckt Trevor das Biest nicht, dachte sie. Sonst dreht er endgültig durch!
Sie bearbeitete den nächsten Knoten. Jetzt wußte sie ungefähr, wie sie zupacken und ziehen mußte. Den zweiten Knoten hatte sie offen, als die Schlange etwa zwei Meter entfernt verharrte und witterte. Die Zunge pendelte hin und her. Sekundenlang ließ das Streulicht des Mondes die Augen aufblinken wie kleine Lämpchen.
»Nummer 2«, sagte die Studentin. »Versuch mal, dich ein wenig zu drehen. Ich muß ausprobieren, ob ich noch mehr lockern kann.«
Die Schlange hatte entschieden, daß die Beute sich lohnte. Sie bewegte sich raschelnd seitwärts und erreichte einen Baumstamm. Bedächtig begann sie, sich an ihm emporzuarbeiten.
Währenddessen arbeitete die Studentin hinter ihrem eigenen Rücken weiter an Trevors Fesseln. Der Archäologe mit dem Hasenherzen half jetzt mit und drehte sich, wie es ihm nur eben möglich war.
Allmählich lockerte sich seine Verschnürung, in der er einem Rollschinken geglichen hatte.
»Ah«, stieß er endlich hervor. »Ich glaube, ich habe einen Arm frei.«
Er wuselte ihn aus der Verschnürung hervor, wobei sich andere Fäden wieder verhedderten. Aber jetzt, da er einen Arm frei hatte, konnte er endlich selbst aktiv mitarbeiten.
Von jetzt an ging es schneller.
Das galt auch für die Anakonda. Sie kroch mittlerweile auf einem massiven Ast in etwa fünf Metern Höhe. Der Ast ragte dort
Weitere Kostenlose Bücher