0399 - Totentanz im Urnengrab
und sie waren zu einer Beute für Kriechtiere geworden.
Woher die großen Ameisen und Käfer kamen, war mir ein Rätsel.
Zu Tausenden krochen sie über die Leichen, so daß es aussah, als würden die sich bewegen.
Und das taten sie auch.
Zuerst glaubte ich noch, eine optische Täuschung zu erleben, bis die erste Leiche, es war die mit den weißen Haaren, sich aufrichtete und in der sitzenden Haltung blieb.
»Jetzt machen Sie sich auf etwas gefaßt, Sinclair«, hörte ich das flüstern des Diplomaten…
***
Er hatte nicht gelogen, denn aus den Toten waren plötzlich lebende Tote geworden.
Zombies!
Der Weißhaarige hatte sich als erster hochgedrückt. Er schüttelte sich dabei, und das Kleingetier auf seinem Körper fiel ab, als wären es dicke Regentropfen.
Einige krochen noch aus der Mundhöhle, aber das war nicht sicher, weil die Kamera doch nicht diese Lichtempfindlichkeit besaß, um die Dunkelheit auszuschalten.
Ich war gespannt, und der Kameramann war es ebenfalls gewesen. Jedenfalls führte er seine Kamera nicht mehr so ruhig wie noch einige Minuten zuvor. Er saß in seinem Versteck, zitterte, so daß auch das Bild entsprechend wackelte.
Als der weißhaarige Zombie stand, regte sich der Größte unter ihnen. Auch seine Bewegungen waren schwerfällig, er hatte Mühe, sich überhaupt zu bewegen, setzte sich aber nicht hin, sondern nahm eine kniende Haltung ein. Auch von seinem Körper rieselten die Käfer, als er schwankend über den Dorfplatz ging. Er bekam seine Füße nicht richtig hoch, schleifte sie durch den Staub und entwischte dem Auge der Kamera.
Auch der letzte Tote erwachte. Bei ihm begann es mit einem Zucken, das von seiner Hand her hoch bis zum Oberarm lief, dort den Hals, die Schultern und auch noch den Kopf erfaßte, bevor die lebende Leiche die Kraft fand, den Rücken so in die Höhe zu drücken, daß sie sich aufrecht hinsetzen konnte.
Dann stand er auf.
Innerhalb einer kreisförmigen Bewegung geschah dies, wobei er sich mit einer Hand abstützte und es trotzdem so aussah, als wollte er hinfallen. Einmal zeigte die Kamera sein Gesicht in Großaufnahme. Ein knochiger grauer Schatten, mehr war nicht zu erkennen.
Die Augen wirkten wie bleiche Kugeln.
Auch er schaffte es, sich hinzustellen und die ersten Schritte über den Dorfplatz zu gehen. Dabei bewegten sich seine Arme, als würden sie überhaupt nicht zu ihm gehören, und er gesellte sich zu den anderen, die bereits den Rand des Dschungels erreicht hatten.
Dort verschmolzen ihre Gestalten mit dem dicht wachsenden Buschwerk, und im gleichen Augenblick war auch der Film zu Ende.
»Mehr gibt es nicht!« hörte ich den Kommentar des Diplomaten.
Ich saß in meinem Sessel und fühlte mich wie erschlagen. Diesen Film mußte ich erst einmal verdauen. Ich hatte Dinge gesehen, wie man sie eigentlich nie zu Gesicht bekommen durfte. Zombies ohne Knochen und Organe, die sich trotzdem bewegten.
Für mich war und blieb dies alles ein gewaltiges Rätsel. Wenn Menschen in ein Feuer geworfen werden, verbrennen sie, da machen auch Zombies keine Ausnahme. Hier war das aber nicht geschehen. Lag es tatsächlich an dieser geheimnisvollen Paste oder Salbe, von der mir der Diplomat berichtet hatte. Solange ich nicht das Gegenteil von dem beweisen konnte, mußte ich es glauben.
Erst das Geräusch der zurückrollenden Wand riß mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Ich wischte über mein Gesicht und sah, wie der Diplomat zur Bar ging. Diesmal schenkte er zwei Whisky ein.
»Die können wir wohl beide vertragen«, meinte er.
Ich gab ihm recht.
Wir tranken. Der Diplomat hatte seinen Sessel gedreht, so daß wir uns gegenüber saßen. Es war still bis auf das leise Summen der Klimaanlage.
»Was sagen Sie, Mr. Sinclair?«
Meine Hand mit dem Glas sank nach unten. »Ich bin schockiert.«
»Der Film war übrigens echt.«
»Daran habe ich nie gezweifelt. Nur hätte ich gern gewußt, wie es weiterging.«
Mein Landsmann drehte das Glas zwischen seinen Handflächen.
»Das kann ich Ihnen sagen. Nachdem die Zombies verschwunden waren, verließen auch die Männer des Stammes das Dorf. Sie wollten zur Jagd gehen, doch zuvor brachten sie die Urnen zum Dorfrand, wo auch die Gefäße mit den Resten ihrer eigenen Verstorbenen stehen. Al Bender, der alles fotografiert hatte, sprang über seinen eigenen Schatten. In den frühen Morgenstunden verließ er seinen luftigen Sitz, stahl die Urnen und nahm sie mit zu seinem Boot, das versteckt in den Uferwucherungen
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