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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Satz, den man stets hinzufügte, wenn man unbewiesene Informationen weitergab: »Nehmt es für das, was es wirklich ist.«
    Fidelma schnaufte mißtrauisch.
    »Na schön. Doch sollte Eure Beschuldigung zutreffen, müßt Ihr davon ausgehen, daß in der Abtei ein stillschweigendes Einverständnis mit der Äbtissin herrscht. Die logische Schlußfolgerung daraus lautet: falls die Äbtissin eine Affäre mit dem ermordeten Mädchen hatte, muß jemand davon gewußt haben. Und falls die Tote ein Mitglied der Gemeinschaft war, wußte mit Sicherheit jemand in der Abtei darüber Bescheid, handelte jedoch in heimlichem Einverständnis. Andernfalls stammte das Mädchen entweder hier aus der Gegend, und warum ist ihr Verschwinden dann nicht Euch, Adnár, als bó-aire gemeldet worden? Oder sie war eine Fremde, vermutlich ein Gast der Abtei. Auch davon hätte die Gemeinschaft gewußt.«
    Bruder Febals Augen zuckten unruhig.
    »Wir dürfen gerade eine Probe Eurer Fähigkeiten im Schlußfolgern miterleben, Schwester«, bemerkte er in freundlichem Ton. »Meine Gebieter verlangen doch nur, daß Ihr Euer Talent unvoreingenommen einsetzt, um den Schuldigen zu finden. Res in cardine est. «
    Fidelma fühlte sich durch den herablassenden Tonfall des Bruders allmählich provoziert. Auch seine fragwürdigen lateinischen Redensarten ärgerten sie. Die Floskel ›die Angelegenheit liegt auf einer Türangel‹ sollte wohl darauf hinweisen, daß Fidelma die Wahrheit sehr bald herausfinden würde. Er hatte jedoch bewußt ihre Unvoreingenommenheit angezweifelt, und sie beschloß, diese Beleidigung nicht unwidersprochen zu lassen.
    »Noch nie hat jemand die Gültigkeit meines Eides als Advokatin der irischen Gerichtsbarkeit in Frage gestellt«, erwiderte sie angriffslustig.
    Olcán legte sofort beruhigend seine Hand auf ihren Arm.
    »Werte Schwester, ich glaube, Bruder Febal hat sich bloß etwas ungeschickt ausgedrückt. Ich bin überzeugt, er möchte in dieser Situation nur seine Besorgnis zum Ausdruck bringen. Tatsächlich sind auch Adnár und ich äußerst beunruhigt. Schließlich ist der Mord in Adnárs Bezirk geschehen, und Ihr werdet sicher nicht abstreiten, daß er als Friedensrichter zu Recht alarmiert ist. Adnár ist ein ergebener Untertan meines Vaters Gulban, dessen Interessen ich zu vertreten habe. Daher teile auch ich seine Befürchtungen.«
    Fidelma seufzte insgeheim. Sie wußte, daß ihr Zorn manchmal allzu leicht mit ihr durchging.
    »Selbstverständlich«, erwiderte sie und zwang sich zu einem kurzen Lächeln. »Ich muß jedoch sehr auf meinen Ruf achten, wenn es um Recht und Gesetz geht.«
    »Wir schätzen uns glücklich, die Angelegenheit in Euren fähigen Händen zu wissen«, bestätigte Olcán. »Ich bin sicher, Bruder Febal bedauert es, falls seine Worte schlecht gewählt waren …?«
    Bruder Febal setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
    »Peccavi« , murmelte er und legte seine Hand aufs Herz, um zu unterstreichen, daß er, wie sein lateinischer Ausspruch besagte, gesündigt hatte. Fidelma machte sich nicht die Mühe, darauf zu antworten.
    Olcán überspielte die peinliche Situation.
    »Nun, laßt uns über andere Dinge sprechen. Ist dies Euer erster Besuch im Land der Beara?«
    Fidelma bejahte die Frage, denn sie war noch nie auf der Halbinsel gewesen.
    »Es ist ein schönes Land, selbst mitten im Winter. In diesem Land hat unser Volk seinen Ursprung«, schwärmte Olcán. »Wußtet Ihr, daß dies hier die Küste ist, wo Míl, der erste Kelte, landete, und wo Amairgen, der Druide, den drei Göttinnen vom Volk der Danu – Banba, Fodhla und Éire – versprach, daß das Land in alle Ewigkeit nach ihnen benannt sein werde?«
    Fidelma empfand plötzlich Belustigung ob der Begeisterung des jungen Mannes für seine Heimat.
    »Vielleicht kann ich, wenn ich hier fertig bin, Euer Land noch etwas besser kennenlernen«, erwiderte sie ernst.
    »Dann wird es mir eine Ehre sein, Euch zu begleiten«, erbot sich Olcán. »Vom Abhang des Berges dort hinter uns kann ich Euch die ferne Insel zeigen, wo Donn, der Herr der Toten, die Seelen der Verblichenen versammelte und von wo er sie auf seinem großen schwarzen Schiff gen Westen mitnahm, in die Anderwelt. Adnár kennt sich in der Geschichte dieser Gegend auch sehr gut aus, nicht wahr, Adnár?«
    Der Häuptling nickte steif.
    »Wie Olcán schon sagte: solltet Ihr den Wunsch verspüren, die Stätten unserer Altvorderen zu besuchen, dann wäre es uns ein Vergnügen, Euch unsere Begleitung

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