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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Wände waren mit Paneelen aus poliertem Eibenholz getäfelt. Überall hingen brünierte Schutzschilde aus Bronze und Silber zwischen kostbaren Wandteppichen aus aller Herren Länder. Es gab sogar mehrere Büchertaschen sowie ein Lesepult, um die Bücher zu lesen. Felle von Ottern, Hirschen und Bären lagen auf dem Boden verstreut. Ein runder Tisch war bereits für das Mahl gedeckt, überladen mit Früchten, Fleisch und Käse und mit Krügen voll Wasser und Wein.
    »Ihr führt einen ausgezeichneten Haushalt, Adnár«, bemerkte Fidelma und starrte dabei auf den großzügig gedeckten Tisch.
    »Das tut er nur, wenn er weiß, daß erlesene Gäste sich bei Tisch die Ehre geben, Schwester.«
    Fidelma drehte sich beim Klang der angenehmen, dunklen Männerstimme jäh um.
    Ein schmalgesichtiger junger Mann hatte den Raum betreten. Fidelma empfand augenblicklich eine Abneigung gegen ihn. Er war frisch rasiert, doch die nachwachsenden Bartstoppeln lagen wie ein blauer Schatten auf seinen hageren Wangen. Sein ganzer Körper war mager, die Nase spitz, der Mund rot und schmal wie ein Schlitz. Seine Augen, zwei große, schwarze Kugeln, standen nie länger als ein paar Sekunden still, sondern zuckten ständig hin und her und verliehen ihm einen hinterhältigen Gesichtsausdruck. Über seinem safrangelben Hemd trug er ein ärmelloses Wams aus Schaffell mit einem Gürtel um die Taille. Eine Kette aus Rotgold zierte seinen Hals. Fidelma entging nicht, daß er an der Seite einen juwelenbesetzten Dolch in einer ledernen Scheide trug. Nur jemand von hohem Rang durfte einen Dolch in einen Festsaal mitbringen, wo normalerweise keine größeren Waffen zugelassen waren.
    Der junge Mann war noch nicht lange über das Alter der Reife hinaus. Fidelma schätzte ihn auf achtzehn, im Höchstfall vielleicht neunzehn Jahre.
    Adnár trat einen Schritt vor.
    »Schwester Fidelma, gestattet mir, Euch Olcán vorzustellen, den Sohn von Gulban, dem Falkenauge, dem Prinzen und Oberhaupt der Beara, auf deren Gebiet Ihr Euch hier befindet.«
    Die Hand, die der junge Mann ihr reichte, war feucht und schlaff. Fidelma spürte, wie ein leichtes Schaudern ihren Körper durchlief, als sich ihre Hände zur Begrüßung berührten. Ihr war, als berührte sie einen Leichnam.
    Fidelma wußte, daß es falsch war, lediglich aufgrund seines Äußeren Abneigung gegen Olcán zu empfinden. Wie lautete noch gleich der Vers von Juvenal? Fronti nulla fides. Auf die Erscheinung kann man sich nicht verlassen. Von allen Menschen sollte doch gerade sie sich vor übereilten Beurteilungen hüten, die nur auf bloßem Augenschein beruhten.
    »Willkommen, Schwester. Willkommen. Adnár hat mir berichtet, daß Ihr eingetroffen seid und warum.«
    Sie war Olcán noch nie begegnet, doch sie wußte, daß sein Vater Gulban seinen Stammbaum bis zu Ailill Olum, dem großen König von Muman, zurückverfolgen konnte, der vor drei oder vier Jahrhunderten regierte und von dem auch ihre Familie abstammte. Aufgrund dieser Herkunft saß nun ihr Bruder auf dem Thron von Cashel. Gulban war lediglich Häuptling eines einzelnen Clans des größeren Stammes der Loígde.
    »Ich hatte keine Ahnung, daß Ihr hier wohnt, Olcán«, sagte sie.
    Der junge Mann schüttelte rasch den Kopf.
    »Ich wohne nicht hier. Ich bin nur zu Besuch und genieße Adnárs Gastfreundschaft. Ich bin zum Fischen und Jagen hierhergekommen.«
    Er wandte sich halb um, als ein gekünsteltes Hüsteln aus dem Halbschatten ertönte.
    Hinter ihm erschien ein breitschultriger, gutaussehender Mann, etwa Anfang bis Mitte vierzig, im Habit eines Mönchs. Fidelma registrierte seine angenehmen Gesichtszüge. Die helleren Strähnen seines rotgoldenen Haares blitzten wie poliertes Metall in der Sonne, die durch die Fenster fiel. Er trug die Johanneische Tonsur: der vordere Teil des Kopfes war völlig kahlrasiert. Seine Augen waren groß und blau, die Nase etwas vorstehend, der Mund jedoch rot und humorvoll. Seine Erscheinung wirkte dennoch ein wenig unheimlich, denn er hatte sich – einem alten Brauch folgend, der angeblich noch aus den Zeiten der Druiden stammte – die Augenlider mit Beerensaft schwarz gefärbt. Wie er übernahmen viele irische Mönche diese Sitte, besonders, wenn sie als Missionare andere Länder bereisten.
    Wieder war es Adnár, der rasch vortrat und sie miteinander bekanntmachte.
    »Das ist Bruder Febal, Schwester«, verkündete er. »Er ist mein anam-chara und kümmert sich um die religiösen Bedürfnisse meiner

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