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04 - Die Tote im Klosterbrunnen

04 - Die Tote im Klosterbrunnen

Titel: 04 - Die Tote im Klosterbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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sorgfältig gelesen hättet, wüßtet, daß jeder, wenn er einen wertvollen Gegenstand, der auf See trieb, mitbringt – und das gilt für ein Schiff ebenso wie für einfaches Treibgut und über Bord geworfenes Gut –, und wenn dieser Gegenstand mehr als neun Wellen von der Küste entfernt geborgen wurde, ein Anrecht darauf hat, das ihm niemand, nicht einmal der Oberkönig, streitig machen kann. Deshalb gehört dieses Schiff Ross und keinem anderen. Nur wenn die Bergung innerhalb einer Entfernung von neun Wellen vor der Küste stattgefunden hätte, könntet Ihr einen Anspruch anmelden.«
    Die Länge von neun Wellen entsprach der Länge eines Maßes, das man forrach nannte, und ein forrach wiederum entsprach einer Länge von etwa fünfzig Metern. Folglich hatte Ross’ Begegnung mit dem gallischen Schiff weit außerhalb der Küstengewässer auf hoher See stattgefunden.
    Die Entfernung von neun Wellen hatte eine symbolische Bedeutung, die bis in die heidnische Zeit zurückreichte. Noch heute wurde das magische Symbol der neun Wellen selbst von zahlreichen Anhängern des christlichen Glaubens fraglos anerkannt. Vor zwei Jahren, als die furchteinflößende Gelbe Pest in den fünf Königreichen wütete, war Colman, der bedeutendste Gelehrte der Universität des Heiligen Finbarr in Cork, mit seinen Studenten auf eine Insel geflohen, um neun Wellen Abstand zum irischen Festland zu gewinnen. Er hatte behauptet, »die Pest reist nicht weiter als neun Wellen«.
    Adnár starrte Fidelma entgeistert an.
    »Treibt Ihr Scherze mit mir?« stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Olcán sah, wie sich Fidelmas Augenbrauen zusammenzogen. »Natürlich nicht, Adnár«, sagte er lachend. »Kein Beamter der Gerichtsbarkeit treibt jemals Scherze mit dem Gesetz. Ihr, mein verehrter bó-aire , seid einfach falsch informiert.«
    Adnár drehte sich empört zu dem jungen Prinzen um.
    »Aber …«, wollte er gerade protestieren, wurde jedoch durch einen kurzen, wütenden Blick von Olcán zum Schweigen gebracht.
    »Genug! Ich bin der Sache ebenso überdrüssig wie vermutlich Schwester Fidelma.« Er lächelte sie freundlich an. »Wir müssen sie jetzt zur Abtei zurückkehren lassen. Werdet Ihr den Rat von Adnár und Bruder Febal beherzigen? Ja, das werdet Ihr«, fuhr er fort, bevor sie antworten konnte. »Wie auch immer, wenn Ihr während Eures Aufenthaltes im Land der Beara irgendeinen Wunsch habt, braucht Ihr ihn nur zu äußern. Ich spreche damit nicht nur in meinem Namen, sondern auch in dem meines Vaters Gulban.«
    »Das ist gut zu wissen, Olcán«, erwiderte Fidelma ernst. »Und jetzt werde ich meine Aufmerksamkeit drängenderen Problemen zuwenden. Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft, Adnár … und für Euern Rat.«
    Sie war sich bewußt, daß die beiden ihr von den Festungsmauern aus mit den Blicken folgten, als sie zum Pier hinunterschritt, wo ihr ein wortkarger Krieger ins Boot half. Sie sah, wie sie sie immer noch beobachteten, während sie sich in die Riemen legte und das kleine Boot mit rhythmischen Schlägen über die Bucht zur Abtei zurückruderte. Fidelma fühlte sich unbehaglich. Ihr Besuch in Adnárs Festung bereitete ihr Kopfzerbrechen.
    Adnár und Olcán waren durchaus angenehme Gesellschafter. Sie konnte ihre spontane Abneigung gegen die beiden nicht ganz begreifen. Olcáns Äußeres fand sie zwar eher abstoßend, doch war er keineswegs unfreundlich. Adnár hatte versucht, sie hinsichtlich der Bergung des gallischen Schiffes auszustechen, aber sie sollte ihm das nicht zum Vorwurf machen. Was ihr die größte Sorge bereitete, war ihre fast irrationale Aversion gegen die beiden. Da war etwas, was ihr tiefstes Mißtrauen weckte und wogegen sie sich augenblicklich sträubte. Vielleicht nahm sie ihnen übel, daß sie sich zusammentaten und Gerüchte über Draigen verbreiteten. Sie würde bald herausfinden, ob die Geschichten über die Äbtissin der Wahrheit entsprachen. Und falls dem so war, bedeutete das dann nicht zwangsläufig eine Mitschuld der Schwestern in der Abtei? Denn falls Draigen Schuld auf sich geladen hatte, war es unmöglich, daß die gesamte Gemeinschaft nichts davon wußte.
    Sie steuerte das Boot längsseits des hölzernen Anlegestegs der Abtei und fragte sich erneut, ob die Anschuldigungen wahr sein konnten.
    Als sie das Boot festmachte und an Land kletterte, hörte sie das Schlagen des Gongs.

K APITEL 6
    Als Schwester Síomha eine halbe Stunde nach der Mittagszeit – der Zeit, zu der Fidelma

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