04_Es ist was Faul
Tote. Wir wollen keine Aufmerksamkeit auf uns
lenken.«
Gemessenen Schrittes bewegten wir uns auf die Raststätte zu,
während Abschleppwagen die leeren Fahrzeuge der toten Seelen
an uns vorbeizogen und im Nebel der Abfahrt damit verschwanden.
Wir öffneten die Glastür der Raststätte und gingen mit starrem
Blick an dem uniformierten Werber des Automobil-Clubs
vorbei, der uns eine Mitgliedschaft andrehen wollte. Das Innere
war gut beleuchtet, roch leicht nach Desinfektionsmitteln und
sah praktisch genauso aus wie jede andere Raststätte, die ich je
gesehen hatte. Der Unterschied lag in den Besuchern. Sie unterhielten sich gedämpft und leise, und ihre Bewegungen waren so
müde, als laste die Bürde des Lebens übermächtig auf ihren
Schultern. Außerdem stellte ich fest, dass zwar viele Menschen
in die Raststätte eintraten, aber kaum jemand wieder hinausging.
Wir kamen an den öffentlichen Telefonen vorbei, die sämtlich außer Dienst waren, und betraten das Restaurant, in dem es
nach Pizza und Tee roch. Die Besucher saßen an den Tischen,
mal einzeln und manchmal in lockeren Gruppen. Sie unterhielten sich leise, lasen veraltete Zeitungen oder nippten an ihrem
Kaffee. Fast alle hatten kleine Schilder mit Nummern auf ihren
Tischen, was darauf hindeutete, dass sie auf das Essen warteten,
das sie bestellt hatten.
»Sind diese Leute alle tot?«, fragte ich.
»Beinahe. Aber das hier ist nur der Eingang. Schau mal da
rüber.« Spike zog mich zur Seite und zeigte auf die Fußgängerbrücke, die vom südlichen Teil der Raststätte, in dem wir uns
befanden, in sanftem Bogen über die Autobahn auf die Nordseite führte. Dort allerdings war außer Nebel nichts zu erkennen.
»Sie scheinen alle nur in eine Richtung zu gehen«, stellte ich
fest.
»Genau. Da drüben liegt das unentdeckte Land, von des Bezirk kein Wandrer wiederkehrt«, sagte Spike. »Das ist die letzte
Reise, die wir je machen.«
Die Kellnerin rief eine Nummer aus. »Zweiunddreißig?«
»Hier!«, rief ein Paar in unserer Nähe.
»Vielen Dank, Sie werden jetzt auf der anderen Seite erwartet.«
»Auf der anderen Seite?«, wiederholte die Frau. »Ich glaube,
das ist ein Irrtum. Wir haben zweimal Fisch und Chips mit
Erbsen bestellt.«
»Nehmen Sie bitte die Fußgängerbrücke da drüben und gehen Sie auf die Nordseite. Vielen Dank!«
Das Ehepaar grummelte etwas und murmelte vor sich hin,
aber dann standen die beiden doch auf, stiegen langsam die
Treppenstufen hinauf und gingen über die Brücke zur Nordseite. Während ich zusah, wurden ihre Umrisse immer undeutlicher, und schließlich verschwanden die beiden Gestalten vollkommen. Ich fröstelte, und um mich ein wenig zu trösten,
richtete ich meine Blicke auf die Autobahn, wo die Lebenden
unter der Brücke dahinrasten. Ich konnte die Fahrbahnen mit
ihrem lebhaften Feierabendverkehr zwar nur verschwommen
erkennen, aber die Scheinwerfer leuchteten, der regennasse
Asphalt glänzte, und man spürte förmlich, wie die Menschen
sich darauf freuten, nach Hause zu kommen. Was, um Himmels
willen, hatte ich hier zu suchen?
Spike riss mich aus meinen Gedanken, indem er mich in die
Seite stieß und mit dem Finger auf die andere Seite des Restaurants zeigte. Dort saß ein einzelner Mann mit weißen Haaren an
einem der Tische.
Ich hatte Präsident Formby schon bei früheren Gelegenheiten gesehen, aber das war mindestens zehn Jahre her. Wenn die
Vorhersagen meines Vaters zutrafen, würde der Präsident in
sechs Tagen sterben, und das sah man ihm leider auch an. Er
war schrecklich dünn, und seine Augen waren tief in die Höhlen gesunken. Seine Zähne, die fast schon eine Art Wahrzeichen
waren, standen weiter denn je vor. Das Leben in der Unterhaltungsindustrie ist sehr anstrengend, und das Politikerleben erst
recht. Formby gab sich alle Mühe, am Leben zu bleiben, um
Kaine an der Machtergreifung zu hindern, aber er wusste, dass
er nicht mehr viel Zeit hatte.
Ich wollte schon aufstehen, aber Spike sagte leise: »Ich glaube, wir sind zu spät dran. Schau dir die Nummer auf seinem
Tisch an!« Auf dem Tisch des Präsidenten schimmerte eine 33.
Plötzlich spürte ich, wie Spike erstarrte, als hätte er jemand
gesehen, aber dann ließ er die Schultern sinken und wandte sich
ab, als wollte er nicht erkannt werden.
»Hör zu«, sagte er leise. »Bring den Präsidenten zu meinem
Wagen, ehe die Kellnerin wiederkommt. Ich muss draußen
noch was erledigen. Lass dich auf keinen
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