04_Es ist was Faul
Waffe.
Richtig, da lag sie. Direkt vor mir unter dem Auto. Ich hatte gut
vorgesorgt.
Meine Hände schlossen sich um die Automatic, ich legte den
Sicherungshebel um, trat zwei Schritte zurück und fing an zu
feuern. Der Mann in der Uniform rannte weg und suchte
Deckung hinter einer Gruppe von Neuankömmlingen, die sich
kreischend zerstreuten. Vorsichtig näherte ich mich der Raststätte.
Das Restaurant schien jetzt weitestgehend verlassen. Spike
fand ich im Shopping-Bereich, von wo aus man nicht nur das
Restaurant, sondern auch den Zugang zur Fußgängerbrücke
beherrschte. Jeder, der auf die Nordseite wollte, musste an uns
vorbei. Ich ließ das leere Magazin fallen und lud meine Waffe
nach.
»Der große Bursche in der Uniform ist Chesney, mein ehemaliger Partner bei SO-17«, sagte Spike, während er seine
Schrotflinte nachlud. »Das Halstuch verdeckt die Stelle, wo ich
ihm den Kopf abgetrennt habe. Deshalb muss er ihn dauernd
festhalten.«
»Ach, ja? Ich hab mich schon gefragt, warum er ständig die
Hand auf dem Kopf hat. Aber wenn sein Hals durchtrennt ist,
dann müsste er doch eigentlich tot sein, nicht wahr?«
»Normalerweise schon. Ich nehme an, dass er die Wächter an
der Pforte besticht oder so was. Wahrscheinlich betreibt er
illegales Seelen-Recycling oder dergleichen.«
»Warte mal«, sagte ich. »Noch mal langsam zum Mitschreiben. Dein Ex-Partner Chesney ist tot und betreibt ein illegales
Seelen-Recycling, indem er Seelen aus dem Jenseits herausholt?«
»Scheint so. Dem Tod sind die einzelnen Leute egal, der interessiert sich bloß für seine Quoten. Letzten Endes ist eine abgeschiedene Seele genau wie die andere.«
»Und das heißt
»Genau. Chesney schnappt sich gesunde, lebende Seelen und
tauscht sie gegen die von Verstorbenen aus.«
»Normalerweise würde ich sagen, dass du mich verarschen
willst, Spike, aber irgendwie hab ich den Eindruck, du meinst es
ernst.«
»So ist es. Er verdient bestimmt gar nicht schlecht. Ich nehme an, auf diese Weise ist Formbys Fahrer verschwunden,
dieser Mallory. So, und jetzt sag ich dir meinen Plan: Wir
machen einen Austausch. Du stellst dich als Geisel zur Verfügung, dafür kriegen wir den Präsidenten zurück. Ich bringe
Formby nach London, und dann komme ich wieder und hole
dich raus.«
»Ich habe noch einen besseren Vorschlag«, erwiderte ich.
»Wie wäre es, wenn du dich als Geisel zur Verfügung stellst,
und ich hole Hilfe?«
»Ich dachte, dein Busenfreund Orpheus hat dir so viel von
hier unten erzählt, dass du alles im Griff hast?«, sagte Spike
leicht verärgert.
»Ach, das war doch nur Kaffeeklatsch«, sagte ich. »Du dagegen bist schon oft hier gewesen. Hast du mir nicht gerade
erzählt, man könnte mit einem Schlauchboot über den Styx
paddeln?«
»Na ja«, sagte Spike zögernd. »Das war mehr eine theoretische Überlegung.«
»Eigentlich hast du keine Ahnung, was los ist, nicht wahr?«
»Nein. Aber für zehn Riesen nehme ich schon mal ein Risiko
auf mich.«
Wir hatten keine Gelegenheit mehr, uns weiter zu streiten,
denn plötzlich lagen wir unter Feuer. Einer der versprengten
Gäste im Laden schrie erschrocken, als sich das Zeitschriftenregal in Konfetti auflöste. Ehe ich wusste, wie mir geschah, hatte
Spike seine Pump-Gun in die Decke gefeuert, wo der Geschosshagel einen Beleuchtungskörper zertrümmerte, der in einem
Funkenregen herabfiel.
»Hast du gesehen, wer auf uns geschossen hat?«, fragte Spike.
»Nein, aber ich glaube, der Beleuchtungskörper war's nicht.«
»Na, auf irgendwas musste ich schließlich schießen.«
Er sprang auf und feuerte erneut, und ich war dumm genug,
seinem Beispiel zu folgen. Ich hatte gedacht, es wäre nicht so
schlimm, dass ich keine Ahnung hatte, weil Spike ja Bescheid
wusste. Jetzt, wo ich wusste, dass dem nicht so war, schien
Flucht die einzig sinnvolle Alternative. Nachdem wir ein paar
Mal sinnlos in den Flur geballert hatten, zogen wir uns wieder
hinter die Ecke zurück.
»Chesney!«, rief Spike. »Ich will mit dir reden!«
»Was willst du hier?«, kam es zurück. »Das hier ist mein Revier.«
»Lass uns die Köpfe zusammenstecken«, sagte Spike, und ich
unterdrückte ein Kichern. »Ich bin sicher, wir finden eine
allseits befriedigende Lösung.«
Es entstand eine Pause. Dann hörte man Chesneys Stimme
erneut. »Nicht schießen. Wir kommen raus.«
Chesney kam aus der Deckung, unmittelbar neben dem Kinder-Hubschrauber und einem WillSprech-Coriolan.
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