04_Es ist was Faul
verhört, die
er mit Cindy Stoker geführt hatte, und versuchte seine Haut zu
retten, indem er als Kronzeuge gegen Kaine auftrat. Die Anklageschrift gegen den ehemaligen Kanzler war länger als alles, was
jemals in einem englischen Gericht vorgebracht worden war.
Die Verbrechen, derer er bezichtigt wurde, waren so zahlreich,
dass sich die Zeitungen darauf beschränkten, die beiden Vergehen zu nennen, die in der Anklageschrift nicht genannt wurden.
Es waren nur zwei: »ohne Genehmigung als Kindermädchen
arbeiten« und »nach Einbruch der Dunkelheit in einer geschlossenen Ortschaft die Hupe benutzen«. Wenn er in allen Ankla-gepunkten für schuldig befunden wurde, musste er mit mehr als
neunhundert Jahren Gefängnis rechnen.
»Irgendwie tut er mir beinahe leid«, sagte Joffy, der viel nachsichtiger als ich war. »Armer Yorrick!«
»Ja«, sagte Hamlet sarkastisch. »Alas.«
43.
Genesung
Mr Redmond van de Poste von der regierenden Toast(ehemals Commonsense-) Partei verkündete heute sein Regierungsprogramm. Um den wirtschaftlichen Niedergang
aufzuhalten und die Vernichtung von Arbeitsplätzen in der
Toastindustrie aufzuhalten, soll das Toastessen ah sofort in
allen Kindergärten, Schulen, Universitäten, Betriebskantinen, Altersheimen und staatlichen Einrichtungen zwangsweise eingeführt werden. Finanziert werden soll diese Maßnahme mit einem zehnprozentigen Zuschlag zur Einkommenssteuer, dem so genannten »Toast-Soli«. Die BäckerGewerkschaft begrüßte Mr van de Postes Erklärung und
verlangte gleichzeitig ein totales Frischbackverbot, eine
Verkürzung der Ladenöffnungszeiten auf zwei Wochenstunden und eine ganzjährige Einfuhrsperre für französisches Weißbrot, Pumpernickel und Brötchen.
THE TOAD,
4. August 1988
Als ich zwei Wochen später nach Hause kam, sah die Wohnung
aus wie Kew Gardens. Hunderte von Blumensträußen waren
auf sämtliche Zimmer verteilt. Meine rechte Hand konnte ich
immer noch nicht ganz kontrollieren, aber jeden Tag war sie ein
bisschen weniger taub. Ich saß auf der Veranda und blickte
hinaus in den Garten. Die Luft war geschwängert vom Duft des
Sommers, und eine leichte Brise spielte mit der Gardine im
Wohnzimmer. Friday hockte auf dem Boden und malte, im
Arbeitszimmer hörte ich Landens alte Underwood klappern,
und aus der Küche kam Louis Armstrong, der im Radio La vie
en rose sang. Ich konnte mich nicht erinnern, überhaupt schon
einmal so entspannt gewesen zu sein. Ich würde mich erst
einmal gründlich erholen, dann konnte ich immer noch zu
SpecOps oder zur Jurisfiktion oder auch beiden zurückkehren.
»Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden.«
Es war Hamlet. Er schien sehr zufrieden. Offenbar war es
Shgakespeafe gelungen, Die Lustigen Weiber von Windsor
wieder aus seinem Stück zu entfernen.
»Sind Sie sicher, dass Sie –«
Mit einer Handbewegung brachte er mich zum Schweigen
und setzte sich auf einen Stuhl, während ihn Alan bewundernd
ansah.
»Ich habe hier viel gelernt«, sagte er. »Zum Beispiel, wie viele
Hamlets es gibt. Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Haben
Sie schon von diesem Branagh gehört?«
»Nein.«
»Er fängt gerade erst an. Ich glaube, der wird ganz groß.«
Er dachte einen Augenblick nach.
»Jahrhundertelang hab ich mich gegrämt, weil ich dachte, die
Zuschauer sehen mich als verwöhnten Balg, der sich zu nichts
entschließen kann. Aber jetzt, wo ich die wirkliche Welt kenne,
verstehe ich, worin der Reiz besteht. Ich bin populär, weil meine
Schwächen und meine Unentschlossenheit eure Schwächen und
eure Unentschlossenheit sind. Wir alle wissen, was zu tun ist,
aber wir können uns nicht dazu entschließen. Handeln, ohne zu
denken, nutzt auf die Dauer nichts. Ich zögere zwar eine Weile,
aber dann treffe ich doch die richtige Entscheidung: Ich trage
mein Schicksal, und gleichzeitig wehre ich mich dagegen. Und
darin liegt eine Lehre für die Menschheit, auch wenn ich nicht
genau weiß, worin sie besteht. Keine Ahnung. Abgesehen
davon, wenn ich nicht unentschlossen bin, gibt es kein Stück.«
»Sie werden Ihren Onkel also nicht gleich im ersten Akt umbringen?«
»Nein. De facto werde ich das Stück genauso lassen, wie es
jetzt ist. Aber ich werde mich darum bemühen, der JurisfiktionBeauftragte für alle Shakespeare-Stücke zu werden. Marlowe
würde ich mir auch noch zutrauen, aber auf Webster kann ich
verzichten.«
»Das ist schön«, sagte ich. »Bei der Jurisfiktion wird man
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