04_Es ist was Faul
Freund«, sagte Millon. »Das ist mein
Stalker. Ein ziemlich lästiger Bursche.«
»Warten Sie. Sie sind Stalker und haben selbst einen Stalker?«
»Natürlich!«, lachte Millon zufrieden. »Seit ich meine Autobiographie veröffentlicht habe, A Stalk on the Wild Side, bin ich
selber so etwas wie eine Berühmtheit. Ich habe sogar einen
Sponsoren-Vertrag mit Compass Rose™-Dufflecoats. Adam ist
ein Stalker der Klasse 3, deshalb ist es nicht auszuschließen, dass
er selbst einen Stalker hat. Kennen Sie das Gedicht der WildZeitung nicht?«
Ehe ich ihn daran hindern konnte, begann er zu rezitieren:
»Unter allen guten Gaben
Musst Du einen Fan-Club haben.
Rennt Dir keiner hinterher,
Bist Du bald schon gar nichts mehr.«
»Nee, das hab ich noch nie gehört«, sagte ich, während der
zweite Stalker mit einem Taschentuch seine blutende Lippe
betupfte.
»Miss Next, das ist Adam Gnusense«, sagte Millon. »Adam,
das ist Miss Next.«
Adam winkte mir kraftlos zu, betrachtete das Blut auf dem
Taschentuch und seufzte kläglich. Plötzlich tat mir das alles
irgendwie leid.
»Tut mir leid, dass Sie sich verletzt haben, Mr Gnusense«,
sagte ich. »Aber ich wusste wirklich nicht, was Sie wollten.«
»Das ist ein Berufsrisiko, Miss Next.«
»Sag mal, Adam«, fragte Millon. »Hast du jetzt eigentlich
deinen eigenen Stalker?«
»Ja, der muss irgendwo sein«, sagte Gnusense und sah sich
unsicher um. »So ein Loser der Klasse 34. Die trübe Tasse hat
gestern Abend meine Mülltonne durchgewühlt. Weiß auch
nicht recht, was das soll.«
»Ach, die jungen Leute …«, sagte Millon. »Sie benutzen immer noch die alten Techniken aus den sechziger Jahren. Der
moderne Stalker ist natürlich subtiler. Lange Wachen, detaillierte Aufzeichnungen, genaue Protokolle über das Kommen und
Gehen, Teleobjektive, Wärmebildkameras …«
»Wir leben in traurigen Zeiten«, ergänzte Adam und schüttelte den Kopf. »Ich muss gehen. Ich habe einer Freundin
versprochen, Adrian Lush eine Weile im Auge zu behalten,
während sie Urlaub macht.«
Er stand auf und trottete die Seitengasse hinunter. Alle paar
Schritte schepperten leere Bierbüchsen.
»Kein sehr ergiebiger Gesprächspartner, unser Adam«, erklärte Millon. »Aber er klemmt sich wirklich dahinter. Hängt an
der Zielperson wie eine Napfschnecke. Der stöbert bei niemandem in der Mülltonne. Es sei denn natürlich, er gibt einen
Einführungskurs für die Rekruten. Aber sagen Sie, Miss Next,
wo waren Sie denn in den letzten zweieinhalb Jahren? Es war
bisschen langweilig hier – nach den ersten anderthalb Jahren
hab ich mein Stalken auf drei Nächte die Woche beschränkt.«
»Ach, das würden Sie mir doch nicht glauben.«
»Sie wären überrascht, was ich alles glaube. Abgesehen vom
Stalken habe ich gerade mein erstes Sachbuch geschrieben Eine
kurze Geschichte des Special Operations Network. Außerdem bin
ich der Herausgeber der Vierteljahresschrift für Verschwörungstheorien. Neben einigen sehr aufschlussreichen Artikeln über
die Beziehungen zwischen Goliath und Yorrick Kaine zu einem
geheimnisvollen Ungeheuer namens Guinzilla hatten wir eine
ganze Serie über Sie und Jane Eyre. Ich denke sogar daran, eine
Biographie über Sie zu verfassen. Wie wäre es mit Thursday
Next. Eine Biographie .«
»Der Titel ist viel zu gewagt.«
»Heißt das, ich habe Ihre Erlaubnis?«
»Nein. Aber wenn Sie ein Dossier über Yorrick Kaine für
mich zusammenstellen, wäre ich bereit, Ihnen etwas über
Aornis Hades zu erzählen.«
Ȇber Acherons kleine Schwester? Abgemacht! Sind Sie sich
ganz sicher, dass ich nicht Ihre Biographie schreiben darf? Ich
hab doch schon angefangen.«
»Absolut sicher. Wenn Sie etwas herausfinden, klopfen Sie
bei mir an die Tür.«
»Das geht nicht. Es gibt eine ganz grundsätzliche Anordnung
von SpecOps für alle Mitglieder der Vereinigten StalkerGewerkschaft. Keiner von uns darf sich der Wohnung seiner
Zielperson auf mehr als fünfzig Schritt nähern.«
Ich seufzte.
»Okay. Dann winken Sie einfach, wenn ich herauskomme.«
Diesem Plan stimmte er bereitwillig zu. Ich verabschiedete
mich, während Millon de Floss damit beschäftigt war, seine
Notizbücher neu zu ordnen, seine Kamera und sein Fernglas
wieder einzupacken und ausführliche Notizen über seine erste
Begegnung mit mir zu verfassen. Ich würde ihn wahrscheinlich
nie wieder loswerden, aber vielleicht war so ein Stalker ja bei
Gelegenheit mal ganz
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