04_Es ist was Faul
keineswegs alle
völlig verblödet sind, und das zweithöchste Amt unseres Staates
bekleidet. Meine Damen und Herren, ich bitte um Applaus für
Staatskanzler Yorrick Kaine!«
Es gab gemischte Beifallsäußerungen, als Kaine auf die Bühne kam und dem Publikum lächelnd zunickte. Ich beugte mich
auf meinem Sitz vor. Kaine schien in den letzten zwei Jahren
nicht im mindesten gealtert zu sein. Aber das war bei einem
Fiktionär auch nicht zu erwarten. Er schien nach wie vor Ende
zwanzig zu sein. Sein schwarzes Haar war ordentlich zur Seite
gekämmt. Man hätte ihn für ein Model aus einem Pulloverkatalog halten können. Aber das war er nicht. Das hatte ich überprüft.
»Vielen, vielen Dank!«, sagte Kaine, setzte sich an den Tisch
und faltete seine Hände. »Ich möchte Ihnen sagen, dass ich
mich in Swindon immer wie zu Hause gefühlt habe.«
Es gab ein paar entzückte Ausrufe aus den vorderen Reihen,
wo vor allem alte Damen saßen, die in Yorrick das Abbild der
Söhne erblickten, die sie nie gehabt hatten.
»Als seinen Widerpart begrüßen wir Mr Redmond van de
Poste von der Commonsense-Partei«, sagte Mr Webastow.
Es gab deutlich weniger Beifall, als van de Poste hereinkam.
Er war fast dreißig Jahre älter als Kaine, sah müde und hager
aus, trug eine Hornbrille, und seine hohe Stirn glänzte, wenn er
sie ins Licht der Scheinwerfer hielt. Er sah sich kaum um, ehe er
sich in steifer Haltung auf seinen Platz setzte. Ich konnte mir
denken, warum er sich so mühsam bewegte: er trug eine schusssichere Weste unter dem Anzug – und das nicht ohne Grund.
Die letzten drei Vorsitzenden der Commonsense-Partei waren
in kurzer Abfolge unter mysteriösen Umständen gestorben.
Seine unmittelbare Vorgängerin zum Beispiel, Mrs Fay Bentoss,
war von einem Auto überfahren worden. So etwas kann ja
vorkommen, werden Sie denken – das Merkwürdige war nur,
dass es in ihrem Wohnzimmer passiert war.
»Vielen Dank, meine Herren, seien Sie herzlich willkommen.
Die erste Frage kommt von Mrs Pupkin.«
Eine kleine Frau in der dritten Reihe stand auf und sagte
schüchtern: »Guten Abend. Diese Woche ist von Jemandem
Etwas Schreckliches getan worden, und ich möchte die Herren
fragen, ob sie das verurteilen.«
»Eine sehr gute Frage«, rief Mr Webastow. »Mr Kaine, vielleicht möchten Sie gleich als Erster loslegen?«
»Vielen Dank, Tudor. Ja, ich verurteile das Schreckliche Etwas mit aller Schärfe. Wir von der Whig-Partei sind entsetzt
über die Art und Weise, wie in diesem unserem Land immer
wieder Schreckliche Dinge getan werden, ohne dass Diejenigen,
die sie getan haben, angemessen bestraft werden. Im Übrigen
möchte ich feststellen, dass die Schrecklichen Dinge, die in
unseren Städten und Gemeinden getan werden, eine Erblast aus
der Regierungszeit der Commonsense-Partei darstellen, an der
wir noch lange werden tragen müssen. Ich freue mich aber,
Ihnen mitteilen zu können, dass die Zahl der Schrecklichen
Dinge um fast zweieinhalb Prozent gefallen ist, seit wir die
Regierung übernommen haben.«
Daraufhin gab es Beifall, und Mr Webastow bat Mr van de
Poste um eine Stellungnahme.
»Nun ja«, sagte Redmond mit einem langen Seufzer, »ich
fürchte, dass unser geschätzter Freund die Tatsachen nicht ganz
im Griff hat. Nach den Zahlen, die mir vorliegen, hat sich die
Zahl der Schrecklichen Dinge keineswegs vermindert, sondern
um fast ein Prozent erhöht. Aber lassen wir die Parteipolitik mal
ausnahmsweise beiseite. Wenn man die Dinge sachlich betrachtet, wird man zwar zugeben müssen, dass die Schrecklichen
Dinge zwar eine große persönliche Tragödie für die jeweils
Betroffenen darstellen, aber eine bloße Verurteilung dieser
Schrecklichen Dinge genügt nicht, um sie zu verhindern. Wir
müssen vielmehr dafür sorgen, dass die Ursachen der Schrecklichen Dinge –«
»Da sieht man's wieder mal«, unterbrach Kaine. »Die Commonsense-Partei weigert sich, die Verantwortung zu übernehmen und die Unspezifischen Schwierigkeiten energisch in
Angriff zu nehmen. Ich hoffe, dass all die Namenlosen, die
unter Ungenau Definierten Problemen zu leiden haben, endlich
begreifen –«
»Ich habe ja gesagt, dass ich die Schrecklichen Dinge verurteile«, warf van de Poste ein. »Und ich möchte hinzufügen, dass
wir das Spektrum der Schrecklichen Dinge erst kürzlich genau
untersucht haben, von den Lästigen bis zu den Ganz Abscheulichen Sachen, und dass wir diese Dinge nach einer
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