04_Es ist was Faul
nützlich.
3.
Stell mir keine heiklen Fragen
»Perfide Dänen sind unsere Erbfeinde« »Ehrlich gestanden
war ich em-p-p-pört«, sagte Englands führender verrückter
Professor Irrling gestern vor Pressevertretern. »Die dänische
In-va-sion unserer Insel war eine einzige Plünderung,
Schändung und Ausbeutung, wie es sie erst wieder gab, als
wir es einige Jahre später selber probierten.« Die völlig konfuse und kaum verständliche Aussage des bekannten Historikers wurde von einem anderen akademischen Schwachkopf bestätigt, der uns erklärte: »Die dänische Eroberung
begann im Jahre 786, als die Dänen in East Anglia ein Königreich gründeten. Bei ihren brutalen Unterdrückungsmaßnahmen haben sie nicht einmal ihren eigenen Namen
benutzt, sondern tarnten sich mit Decknamen wie ›Angeln‹,
›Sachsen‹, ›Brutus‹ und ›Flynn‹.« Weitere Forschungen haben ergeben, dass die Dänen über vierhundert Jahre lang
blieben und erst mit Hilfe unserer neuen besten Freunde,
der Franzosen, vertrieben werden konnten.
Artikel aus dem NEW OPPRESSOR,
dem offiziellen Sprachrohr der Whig-Partei
»Wie ist Kaine denn so schnell an die Macht gekommen?«,
fragte ich ungläubig, als Joffy und ich in der langen Schlange
vor dem ToadNews-Studio in Swindon standen. »Als ich das
letzte Mal hier war, waren Kaine und seine Whig-Partei wegen
des Cardenio-Debakels praktisch erledigt.«
Joffy nickte grimmig und wies mit den Augen auf eine große
Gruppe uniformierter Anhänger der Whig-Partei, die geduldig
auf die Ankunft ihres großen Führers warteten.
»Die Dinge hier stehen nicht gut, Thursday. Als Samuel
Pring ermordet wurde, mussten Nachwahlen stattfinden, und
Kaine hat wieder einen Sitz im Parlament erhalten. Die Whigs
bildeten eine Allianz mit den Liberalen und wählten Kaine zu
ihrem Führer. Er besitzt eine starke Anziehungskraft. Seine
Propaganda für die ›Britische Einigung‹ findet viel Unterstützung, vor allem bei unselbständigen Geistern, die nicht gern
nachdenken.«
»Krieg mit Wales?«
»So deutlich hat er das noch nicht gesagt, aber ein Leopard
ändert ja nicht seine Flecken. Als die letzte Regierung wegen
dieses Skandals um ›Bargeld für Llamas‹ zurücktreten musste,
hat er einen Erdrutschsieg bei den Wahlen errungen. Sobald er
an der Macht war, hat er sich zum Kanzler ernannt. Seine
Gegenreformationsgesetze beschränkten das Wahlrecht auf
Grundbesitzer.«
»Wie um Himmels willen hat er das Parlament dazu gekriegt,
so einem Gesetz zuzustimmen«, murmelte ich voller Entsetzen.
»Ganz sicher weiß das niemand«, erklärte Joff trübsinnig.
»Das Parlament tut manchmal eigenartige Dinge. Aber es
genügt ihm nicht, Kanzler zu sein. Er sagt, die ganzen Rechnungshöfe und Ausschüsse legten bloß den Betrieb lahm, und
wenn die Leute wirklich wollten, dass die Züge pünktlich sind
und Einkaufswagen gerade laufen, dann gäbe es dafür nur eine
Grundlage: Ein Mann musste uneingeschränkte Exekutivgewalt
haben – ein Diktator.«
»Und was hindert ihn an der Machtergreifung?«
»Der Präsident«, sagte Joff leise. »Formby hat Kaine wissen
lassen, dass er gegen ihn antreten würde, wenn Kaine eine Wahl
zum Diktator verlangen würde. Und Formby ist populärer denn
je.«
Ich dachte einen Augenblick nach. »Wie alt ist Formby denn
jetzt?«
»Das ist genau das Problem. Im Mai ist er vierundachtzig
geworden.«
Danach sagten wir eine Weile nichts mehr. Die Schlange bewegte sich langsam zum Eingang, zwei hässliche Beamte von
SO-64 überprüften unsere Identität, und dann wurden wir
eingelassen. Wir hatten Plätze in den hinteren Reihen und
warteten geduldig auf den Beginn der Veranstaltung. Ich konnte es noch immer nicht glauben, dass sich Yorrick Kaine an die
Spitze des englischen Staates gemogelt hatte, aber einer Romanfigur kann nun mal alles passieren, und das hatte Kaine sich
ganz offensichtlich zu Nutze gemacht.
»Siehst du den hässlichen Mann am Rand der Bühne?«, fragte Joffy. »Das ist Colonel Fawsten Gayle, der Chef von Kaines
Leibwache. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Es heißt, er sei
von der Schule geflogen, weil er sich den Kopf um einer Wette
willen an eine Parkbank genagelt hat.«
Neben Gayle stand ein ausgemergelter Typ mit verkniffenem
Gesicht und einer runden Nickelbrille. Er hatte eine abgeschabte rote Aktentasche unter dem Arm und trug ausgeleierte
Cordhosen.
»Wer ist das?«
»Ernst Stricknene, Kaines persönlicher
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