04_Es ist was Faul
schnitt sich ein großes Stück Battenberg ab und fuhr
fort: »Okay, ich sag's offen: Wir haben die Familie Polonius
dazu überredet, dass sie einen Schiedsspruch der ShakespeareKommission wegen ihrer nicht-autorisierten HamletNeufassung akzeptiert.«
»Wie habt ihr denn das geschafft?«
»Wir haben Ophelia ihr eigenes Stück versprochen.« »Das
heißt also, ich kann Hamlet zurückschicken?« »Noch nicht
ganz«, sagte Zhark und versuchte seine Verlegenheit damit zu
überspielen, dass er nach nicht vorhandenen Fusseln auf seinem
Satin-Umhang suchte. »Jetzt regt sich Ophelia darüber auf, dass
Hamlet mal eine Affäre mit einer gewissen Henna Appleton
gehabt haben soll. Sie hat gedroht, sich schon im ersten Akt zu
ertränken, statt im vierten. Wir hatten große Mühe, sie zu
beruhigen, und während wir damit befasst waren, kam es zu
einer feindlichen Übernahme.«
Ich stieß einen lebhaften Fluch aus, und Zhark fuhr erschro-cken zusammen. Nie ging irgendwas glatt in der BuchWelt.
Fusionen, Übernahmen und Zusammenschlüsse, bei denen ein
Buch mit einem anderen verschmolz, um seine Handlungsstränge mit erzählerischer Substanz aufzufüllen, waren zum
Glück nicht sehr häufig, aber doch lästig genug. Der berühmteste Zusammenschluss bei Shakespeare war die Verschmelzung
von den Daughters of Lear und den Sons of Gloucester zu König
Lear. Andere Zusammenschlüsse wie Viel Lärm um Verona und
Die Mittsommernacht einer Widerspenstigen wurden in letzter
Minute vom Kartellamt verhindert. Aber wenn ein Zusammenschluss schon weit fortgeschritten war, konnte es Monate dauern, die Handlungsstränge wieder zu entwirren. Im Falle von
König Lear war nichts mehr zu machen. Wir mussten es einfach
lassen.
»Und wer steckt hinter der Übernahme bei Hamlet?« »So
richtig lässt sich das nicht mehr feststellen, aber das Stück heißt
jetzt Die lustigen Weiber von Helsingör. Gertrud wird von
Falstaff mit fliegenden Röcken durchs Schloss gejagt, Laertes ist
der Elfenkönig, und Hamlet hat gerade noch sechzehn Zeilen.«
Ich stöhnte. »Und wie ist es?«
»Es dauert ziemlich lange, bis es mal lustig wird, und dann
sterben sie alle.«
»Okay«, sagte ich. »Ich werde versuchen, Hamlet noch eine
Weile hier zu behalten. Wie lange braucht ihr, um das Stück
aufzudröseln?«
Zhark seufzte schwer und zog die Luft durch die Zähne wie
ein Heizungsmonteur, wenn er den Preis für den neuen Boiler
zum ersten Mal nennt. »Das ist ja genau das Problem, Thursday. Ich bin mir gar nicht sicher, dass wir überhaupt etwas tun
können. Wenn es irgendwo passiert wäre, wäre es nicht so
schlimm. Wir hätten den Mist einfach wegschmeißen können.
Aber es geht um das Original. Erinnern Sie sich, was mit dem
Lear passiert ist? Ich fürchte, bei Hamlet kommt es genauso.«
Ich musste mich erst einmal setzen. Kein Hamlet mehr! Ich
schlug die Hände vors Gesicht. Der Verlust war schlechterdings
unvorstellbar!
»Wie lange dauert's noch, bis Hamlet sich zu verändern anfängt?«, fragte ich, ohne den Kopf zu heben.
»Fünf Tage noch, höchstens sechs«, sagte Zhark leise. »Danach geht der Zusammenbruch immer schneller. In etwa zwei
Wochen wird das Stück, das wir kennen, nicht mehr existieren.«
»Aber wir müssen doch irgendwas tun können?«
»Wir haben schon so ziemlich alles versucht. Wir sind einfach am Arsch. Es sei denn, Sie hätten einen Ersatz-Shakespeare
im Ärmel.«
Ich hob den Kopf. »Was haben Sie gesagt?«
»Wir sind am Arsch.«
»Nein, das danach.«
»Einen Ersatz-Shakespeare im Ärmel?«
»Ja, genau. Inwiefern würde das helfen?«
»Na ja«, sagte Zhark nachdenklich. »Da es keine Originalmanuskripte von Hamlet oder den Lustigen Weibern mehr gibt,
würde eine neue Handschrift automatisch zum Original werden. Dann könnten wir die Storycode-Maschinen damit neu
starten, und alles wäre in Butter. Aber leider ist Shakespeare
nun mal im Jahre 1616 gestorben.«
Ich lächelte, und Zhark sah mich verwirrt an.
»Gehen Sie nur getrost zurück ins Hauptquartier und sorgen
Sie dafür, dass die Dinge nicht noch schlimmer werden«, sagte
ich und tätschelte seine Schulter. »Sagen Sie, habt ihr endlich
rausgefunden, aus welchem Buch Yorrick Kaine stammt?«
»Alle verfügbaren Kräfte arbeiten an dieser Frage«, erklärte
Zhark. »Aber wir müssen immer noch Zehntausende von
Romanen durchgehen. Können Sie uns vielleicht ein paar
Hinweise geben?«
»Na ja, er ist nicht gerade
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