04_Es ist was Faul
»Meinem Vater ist es gelungen,
Ihren Ehemann zu re-aktivieren. Morgen früh um halb neun
wird er Sie abholen und zu Lord Nelson zurückbringen.«
»Oh!«, sagte Emma mit weitaus weniger Begeisterung, als ich
gehofft hatte. »Das ist … eine sehr gute Nachricht.«
»Ja«, sagte Hamlet betrübt. »Eine sehr gute Nachricht.«
Sie sahen sich traurig an.
»Dann werd ich mal besser packen gehen«, sagte Emma.
»Ja«, sagte Hamlet. »Darf ich dir helfen?«
Damit verließen sie beide die Küche.
»Was haben die beiden denn?«, fragte Melanie. Sie nahm sich
ein Stück von dem angebotenen Kuchen und setzte sich auf
einen Stuhl, der laut ächzte.
»Liebeskummer«, erklärte ich, und das traf wohl auch zu.
»Also, Mrs Bradshaw«, sagte meine Mutter geschäftstüchtig,
»ich habe da etwas für Sie. Ich bin seit neuestem Beraterin für
einige Schönheitsprodukte, und in unserem Angebot gibt es ein
Depilationsmittel, das würde Sie sicher beeindrucken.«
»Ooh!«, sagte Melanie und beugte sich neugierig über den
Tisch. In den Commander-Bradshaw-Romanen gab es keine
Kosmetikerinnen, und dass sie ein gewisses Problem mit Gesichts-und Körperbehaarung hatte, ließ sich ja beim besten
Willen nicht leugnen. Wahrscheinlich würde ihr meine Mutter
am Ende auch noch einen Satz Tupperware verkaufen.
Ich ging nach oben, wo Hamlet und Emma sich heftig stritten. Sie wiederholte immer wieder, dass ihr »lieber Admiral« sie
dringend brauche, und er bat sie inständig, mit ihm nach Helsingör zu kommen, und »zur Hölle mit der faden Ophelia«.
Emma sagte, das ließe sich so nicht machen, und dann hielt
Hamlet einen endlosen, unverständlichen Monolog, der, glaube
ich, besagte, dass er es sehr bedauerte, sein Stück je verlassen zu
haben, wo Ophelia wahrscheinlich gleich etwas mit Horatio
angefangen hätte, kaum dass er, Hamlet, ihnen den Rücken
gekehrt hatte. Und irgendwie sei in der wirklichen Welt alles so
schwierig und ungeschickt.
Diese Einlassungen verwirrten Emma, weil sie glaubte, Hamlet rede nicht von seinem, sondern von ihrem Horatio. Erst als
der Dänenprinz ihr erklärte, dass er seinen Studienfreund
Horatio aus Wittenberg meine, beruhigte sie sich und überraschte ihn mit der Mitteilung, dass sie sehr gern mit ihm nach
Helsingör kommen wolle. Aber jetzt war Hamlet plötzlich gar
nicht mehr so glücklich mit dieser Idee und hielt einen weiteren
endlosen Monolog, den Emma so langweilig fand, dass sie
heimlich nach unten schlich, um sich etwas zu trinken zu holen.
Als sie mit einem Bier nach oben zurückkehrte, redete Hamlet
noch weitere fünf Minuten, ehe er schließlich aufhörte, ohne
eine Entscheidung getroffen zu haben. Letztlich war ich darüber
sehr froh, denn es gab ja zur Zeit gar kein Stück, in das er hätte
zurückkehren können.
Ich überlegte gerade, ob ich es wohl schaffen würde, einen
geklonten Shakespeare zu finden, als ich ein leises Jammern
hörte. Ich ging nach unten und fand Friday an der Tür des
Wohnzimmers vor. Er hatte wirre Haare und sah sehr verschlafen aus.
»Gut geschlafen, mein Sohn?«
»Sunt in culpa qui officia, deserunt mollit«, erwiderte er, was
ich mir etwa so übersetzte: Ich habe sehr gut geschlafen und
brauche jetzt etwas zu essen, um die nächsten zwei Stunden zu
überstehen.
Ich ging in die Küche und spürte, dass in meinem Hinterkopf
etwas rumorte. Eine Bemerkung von meiner Mutter? Oder
hatten Stig oder Emma etwas gesagt, das mich beunruhigen
musste? Ich machte Friday ein Nutella-Brot, das er sich anschließend breit ins Gesicht schmierte.
»Ich glaube, ich habe genau die richtige Farbe für Sie«, sagte
meine Mutter und suchte einen silbergrauen Nagellack heraus,
der gut zu Melanies schwarzem Fell passte. »Du meine Güte, Sie
haben wirklich kräftige Nägel!«
»Ich grabe nicht mehr so viel wie früher«, sagte Melanie mit
leichtem Bedauern. »Trafford mag es nicht. Er sagt, die Nachbarn würden darüber reden.«
Mein Herz setzte für eine Sekunde aus. Und dann schrie ich
völlig unkontrolliert: »Deshalb!!!«
Meine Mutter zuckte zusammen, beschmierte Melanies
Hand und kippte ihr obendrein noch die ganze Flasche Nagellack über das gelbe Kleid mit den weißen Punkten. »Jetzt schau
mal, was du gemacht hast«, schimpfte sie lautstark. »Wie kannst
du mich so erschrecken?« Auch Melanie sah nicht sehr glücklich aus.
»Herrje, Daisy! Verdammt noch mal, Daisy! Daisy Mutlar!
Mama, sag mal! Warum hast du eben eigentlich
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