04_Es ist was Faul
konnte ruhig ein bisschen spektakulär sein. Ich
schwang mich hinter das Lenkrad und wollte gerade den Zündschlüssel umdrehen, als –
»Mama, nicht fahren!«
Friday hatte gesprochen. Einen Augenblick war ich sprachlos.
Meine Hand erstarrte.
»Friday!«, sagte ich. »Du kannst ja sprechen …!«
Ich drehte mich zu ihm um, und als ich seinen Blick sah,
wurde mir plötzlich eiskalt. Er machte ein so ernstes Gesicht,
wie ich es noch nie bei einem Kleinkind gesehen hatte. Und
jetzt wusste ich auch plötzlich, warum. Cindy! Heute war der
Tag, an dem das zweite Attentat auf mich stattfinden sollte.
Wegen der ganzen Aufregung hatte ich das völlig vergessen.
Langsam und vorsichtig nahm ich die Finger vom Zündschlüssel. Ich ließ ihn stecken, auch wenn die Lichter im Armaturenbrett heftig blinkten. Ich schnallte Friday von seinem
Kindersitz ab, und um keine der Türen öffnen zu müssen, stieg
ich durch das geöffnete Dach mit ihm aus.
Das war knapp gewesen.
»Danke, mein Sohn! Jetzt bin ich dir was schuldig. Aber warum hast du so lange gewartet, bis du etwas gesagt hast?«
Er gab keine Antwort, sondern nuckelte bloß lässig an seinen
Fingern.
»Du bist wohl der starke, schweigsame Typ, was? Komm,
Wonderboy, jetzt rufen wir SO-14 an.«
Die Polizei sperrte die Straße, und zwanzig Minuten später
kam das Sprengstoffkommando. Die immer noch herumlungernden Journalisten waren begeistert. Die Fernsehleute gingen
sofort auf Sendung, wobei sie das Bombenräumkommando mit
meinem neuen Job als Krocket-Manager in Verbindung brachten. Die Lücken in der Geschichte füllten sie mit blumigen
Spekulationen.
Die vier Pfund Sprengstoff befanden sich vor dem Motorblock und waren an das Zündkabel angeschlossen. Hätte ich
den Schlüssel nur eine Vierteldrehung weiterbewegt, hätten
Friday und ich am Himmelstor angeklopft.
Ich gab eine kurze Erklärung ab, aber die Journalisten ließen
mich einfach nicht weg. Ich sagte ihnen nicht, dass es schon das
zweite Attentat war, und ich verriet auch nicht, dass am Donnerstag noch ein drittes stattfinden würde. Aber ich schrieb es
mir auf die Hand, damit ich es nicht wieder vergaß.
»Es war der Windowmaker«, sagte ich ihnen. »Ja, mit n –
keine Ahnung, warum. Ja, wenn man Samuel Pring mitrechnet,
waren es achtundsechzig. Der Grund? Keine Ahnung. Ich bin
die Thursday Next, die das Ende von Jane Eyre geändert hat.
Nie gelesen? Macht nichts. Schauen Sie mal im Archiv nach.
Nein, ich bin bei SO-27. Sein Name ist Friday. Zwei Jahre alt.
Netter Junge, nicht wahr? Ach, wirklich? Herzlichen Glückwunsch. Ja, die Bilder schau ich mir gern an. Darf ich jetzt
gehen?«
Nach über einer Stunde ließen sie mich schließlich in Frieden
ziehen. Ich setzte Friday in seinen Buggy und schob ihn zu der
Straße, wo ich mit Landen gewohnt hatte. Das Haus war jetzt
wieder wie früher. Der Pflanzentrog mit der Tickia orologica
und das verrostete Fahrrad auf der Veranda waren verschwunden. Die Vorhänge waren wieder nach meinem Geschmack,
und außerdem sah ich Bewegung dahinter.
Ich versuchte mein T-Shirt und Fridays Haare zu glätten,
ging durch den Vorgarten und klingelte an der Tür. Meine
Hände waren schweißnass, und das strahlende Lächeln auf
meinem Gesicht konnte ich gar nicht mehr wegkriegen. Um
den dramatischen Effekt zu steigern, hatte ich Friday auf den
Arm genommen, musste ihn aber bald auf der Hüfte abstützen,
denn er war doch schon ziemlich schwer.
Nach einer Wartezeit von vielleicht zehn Sekunden, die mir
freilich wie Stunden erschienen, ging die Tür auf, und vor mir
stand … Landen, groß und gut aussehend wie immer. Und vor
allem genauso lebendig, wie ich ihn mir jetzt seit zweieinhalb
Jahren gewünscht hatte. Er war nicht nur so, wie ich mich an
ihn erinnerte, er war noch viel besser. Die große Liebe meines
Lebens und der Vater meines Kindes war wieder da! Ich spürte,
wie Tränen in meinen Augen aufstiegen, und versuchte etwas
zu sagen, aber alles, was herauskam, war ein dümmliches Röcheln.
Landen starrte mich an, und ich starrte ihn an, und dann
starrten wir uns beide noch etwas mehr an. Ich dachte: Vielleicht erkennt er mich nicht, mit dem kurzen Haar, und deshalb
überlegte ich, was ich so richtig Witziges sagen könnte, aber es
wollte mir einfach nichts einfallen. Also hievte ich Friday auf
die andere Hüfte, denn er schien immer schwerer zu werden,
und am Ende sagte ich: »Mein Name ist Thursday. Erinnerst
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