04 - Geheimagent Lennet und der Satellit
möglich, Löcher in die Kapsel zu bohren. Doch wie sollen wir das notwendige Material hierherschaffen?«
»Auch Laserstrahlen können Löcher bohren", warf Lennet ein.
»Aber wie kriegen wir einen Laser in die Wüste?« Kühl betrachtete Madame Schasch die Männer, die so ratlos vor ihr standen.
»Seit ich Chefin des BIDI bin, habe ich noch nie eine solche totale Ratlosigkeit gesehen", erklärte sie.
»Wir haben auch noch nie mit einem Raumschiff zu tun gehabt", warf Onkelchen Olivier ein.
»Halten Sie den Mund, Olivier. Der einzige vernünftige Vorschlag, den ich vernommen habe, ist der mit den Diamantbohrern. Wir könnten uns natürlich einen herbringen lassen, aber das erfordert Zeit, und gerade die wird uns langsam ziemlich knapp! Die französische Regierung hat uns bereits einen Kommissar von der Spionage-Abwehr auf den Hals gehetzt. Weitere Schritte werden nicht lange auf sich warten lassen. Noch ein paar Stunden, und dieses Fleckchen Wüste wird für uns ein ziemlich heißer Boden werden.«
»Und was sollen wir tun? Aufgeben?« fragte der Engländer mit einem verächtlichen Unterton.
»Sie scheinen mich schlecht zu kennen, Doktor", erwiderte Madame Schasch. »Bedenken Sie, daß es immer zwei Wege gibt, die einander zwar hundertprozentig widersprechen, aber trotzdem ans selbe Ziel führen. Da ich den Landepunkt des Satelliten nicht verlegen konnte, habe ich die Grenze verlegt. Ich kann die Diamantbohrer nicht herkommen lassen, also muß ich den Satelliten zu den Diamantbohrern schaffen.«
»Den Vostok?« rief der deutsche Wissenschaftler fassungslos.
»Wie stellen Sie sich das vor, bei dem Gewicht?«
»Eine Tonne, höchstens zwei. Mademoiselle Chevrot kann es Ihnen genau sagen. Auf jeden Fall ein lächerliches Gewicht für unsere modernen Lastwagen.«
»Und wie wollen Sie Ihren Vostok auf einen Lastwagen laden?« erkundigte sich der Italiener.
»Ganz einfach", schaltete sich Lennet ein. »Da er rund ist, wird er hinaufgerollt.«
»Genau das gedenke ich zu tun, oder zumindest beinahe das!« Madame Schasch nickte. »Ich werde natürlich keinen Lastwagen, sondern einen Tieflader herbeordern. Wir werden den Satelliten hinten hinauf rollen und mit Stahlbändern festbinden.«
»Kurzum", ließ sich Olivier hören. »Wir spielen abwechslungshalber einmal Transportunternehmen.«
»Erfaßt. Hat jemand etwas dagegen einzuwenden?« Niemand meldete sich. Nun wandte sich die Chefin des BIDI an die Schweizer Funker.
»Setzen Sie sich mit unserer Funkstation in Marokko in Verbindung. An die Arbeit! Ich will meinen Tieflader noch vor Einbruch der Dunkelheit an Ort und Stelle haben. Die Sitzung ist beendet.«
Jeder ging an seine Arbeit. Lennet fühlte, daß jetzt der Moment da war, etwas Entscheidendes zu unternehmen. Er entfernte sich ein paar Schritte von den Zelten.
An eine Flucht zu Fuß war selbstverständlich nicht zu denken.
Eine Wüste ist wie ein Gefängnis ohne Mauern. Hier gab es kein Entrinnen. Trotzdem mußte er sich etwas Brauchbares einfallen lassen, denn die Lage wurde langsam brenzlig.
»Gehen wir das Ganze noch einmal durch", murmelte er vor sich hin. »Meine ursprüngliche Aufgabe war ziemlich einfach: mich in den BIDI einschleusen lassen, Bericht erstatten, weitere Befehle abwarten. Der Haken ist nur der, seit ich dem BIDI angehöre, das ist nun immerhin seit 24 Stunden, ist es mir völlig unmöglich gewesen, mich mit meinen Chefs in Verbindung zu setzen. Ich muß meine Entscheidungen also allein treffen und meine Mission dahingehend erweitern, daß ich dem BIDI inzwischen möglichst viele Schwierigkeiten aufhalse. Und welche Rolle spielt der vielgerühmte Vostok in der ganzen Angelegenheit?« Die große, schwarze Kugel ruhte noch immer auf ihrem Steinbett fünfzig Meter vom Lager entfernt. Der Kosmonaut in ihrem Inneren wartete darauf, den Abgesandten seiner Regierung seinen Ausstieg zu öffnen.
Die Sonne neigte sich zum Horizont. Es wurde kühler. Immer länger werdende Schatten kündeten den nahen Abend an.
Lennet sah auf seine Armbanduhr. »Halb sechs...«
Es blieben ihm nur noch wenige Stunden Zeit, einen Ausweg aus dieser verfahrenen Lage zu finden.
»Ich habe zwar schon ein paar unbestimmte Vorstellungen, aber die sind alle noch ziemlich unausgegoren. Auf alle Fälle war an der ganzen Geschichte schon von Anfang an etwas faul.
Das hat auch Nikky schon bemerkt. Warum war der Satellit früher als berechnet gelandet?« Die Sonne hatte ein dunkelrotes Leuchten am Horizont
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