04 - Geheimagent Lennet und der Satellit
hinterlassen.
Nikky trat aus dem Zelt. Machte einige unentschlossene Schritte nach rechts und links. Ging zu dem Satelliten hinüber.
Nachdenklich lief sie einmal herum. Dann betastete sie ihn prüfend.
Lennets Entschluß stand fest.
Mit schnellen Schritten näherte er sich Nikky.
Sie wandte ihm den Rücken zu und betrachtete gedankenversunken den dunkelroten Horizont. Lennet blieb stehen. Nikky schien ihn nicht zu bemerken.
»Nikky", sprach er sie an. »Drehen Sie sich um und sehen Sie mir in die Augen.«
»Wozu?«
»Weil ich mit Ihnen sprechen muß und nicht gewöhnt bin, mit Leuten zu reden, die mir den Rücken zudrehen.«
Langsam wandte sie sich um. Ihre Augen blitzten.
»Was haben wir uns schon zu sagen?«
»Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir den BIDI zerstören und uns in Sicherheit bringen können. Ich will ganz offen zu Ihnen sein...«
»Das wäre eine nette Abwechslung!« versetzte sie bitter.
Lennet tat als hätte er den beißenden Spott in ihrer Stimme nicht bemerkt. Ernst fuhr er fort.
»Ich bin nicht Jean-Jacques Lissou, der Neuling beim BIDI, sondern Leutnant Lennet vom Nationalen Geheimdienst und habe hier eine bestimmte Mission zu erfüllen.«
Nikky lächelte ungläubig.
»Sie glauben doch nicht ernstlich, daß ich Ihnen diese sterbenslangweilige Geschichte abkaufe?«
»Doch, das glaube ich. Ich werde Ihnen die ganze sterbenslangweilige Geschichte von Anfang an erzählen.
Vielleicht stimmt sie in verschiedenen Punkten mit Ihren Beobachtungen überein.«
In wenigen Worten schilderte er ihr den Grund seines Hierseins. Nikky fühlte sich so einsam und verlassen, daß sie sich nichts mehr wünschte, als dem netten jungen Mann glauben zu können. Trotzdem kämpfte sie tapfer weiter, als Lennet geendet hatte.
»So, und nun werde ich Ihnen erzählen, was ich glaube. Der BIDI hat noch nicht alles von mir erfahren, was er gerne wissen möchte. Und Sie werden dafür bezahlt, daß Sie versuchen, mir Vertrauen einzuflößen. Geben Sie doch zu, daß Sie mir nur deshalb am ersten Abend die ganze Komödie vorgespielt haben!« Lennet seufzte. Das Mißtrauen, mit dem ihm das junge Mädchen begegnete, verletzte ihn tief.
»Kommen Sie, setzen wir uns", forderte er sie auf. Beim SNIF hatte er gelernt, daß körperliche Entspannung seelische Entspannung fördert.
Sie setzten sich nebeneinander, die Gesichter der endgültig untergehenden Sonne zugewandt. Das dunkle Rot wurde langsam von einem ganz eigenartigen Grün verdrängt. Es war empfindlich kühl geworden. Immer noch drang von ferne der Klang von Schüssen herüber.
»Es tut mir sehr weh, Nikky, daß Sie mir einfach nicht glauben wollen. Leider habe ich im Moment nichts, um zu beweisen, daß ich die Wahrheit sage. Versuchen Sie trotzdem mir zu folgen. Also, angenommen, Sie hätten recht: Ich bin ein vom BIDI bezahlter Spitzel. Sie haben mich durchschaut und ziehen sich in Ihr Schneckenhaus zurück. Was glauben Sie, was passiert, wenn der Tieflader um neun Uhr eintrifft, der Vostok darauf verladen wird, und der BIDI Ihre Dienste nicht mehr benötigt? Nicht, daß ich Ihnen Angst machen möchte, Nikky, aber Sie müssen den Dingen endlich ins Auge sehen. Solange die Polizei nichts von Ihrer Entführung wußte, lag es vielleicht sogar im Interesse des BIDI, Sie aus diesem oder jenem Grund am Leben zu lassen. Aber jetzt? Ihre Aussichten sind bescheiden, Nikky, sehr bescheiden.«
Ein Zittern durchlief Nikkys Körper. Fröstelnd umschlang sie ihre Knie.
Sie antwortete nichts.
»Nun aber angenommen, Sie vertrauen mir", fuhr Lennet fort.
»Wenn ich wirklich ein Spitzel bin, dann ändert das nichts an Ihrer Lage. Sie können nichts verlieren, weil Sie nichts mehr zu verlieren haben. Wenn ich aber nun der bin, der ich zu sein behaupte, dann sind die Aussichten sowohl für Sie als auch für mich doppelt so günstig. Ihnen als Mathematikerin müßte das doch einleuchten.«
Mit kaum hörbarer Stimme stammelte Nikky: »Ich bin so allein, ich bin es einfach nicht gewöhnt, so allein zu sein...«
Lennets »Rechnung" hatte sie zwar nicht überzeugen können, aber ihr Bedürfnis nach einem Gefährten war stärker als ihre Angst. Als Lennet das begriffen hatte, sprach er leise weiter.
»Sie werden gleich sehen, daß ich vorläufig auch noch gar nichts Großes von Ihnen verlange. Ich habe nur eine Frage. Seit heute morgen weiß ich, daß Sie sich bei der Berechnung der Landezeit des Satelliten nicht geirrt hatten. Sie konnten sich gar nicht
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