04 - Herzenspoker
natürlich über solch weltlichen Dingen«, sagte
Rainbird, legte den Kopf zur Seite und blickte sie fragend an.
Aber
Esther ging nicht auf den Köder ein. »Und wie wollen Sie diese verführerischen
Tatsachen verbreiten? Sie können doch wohl schlecht eine Anzeige in der Morning Post aufgeben.«
»Der
Klatsch von Dienern kann sehr nützlich sein, wenn man ihn klug einsetzt«, sagte
Rainbird. »Heute abend werde ich ausgehen und reden. Morgen früh wird der ganze
Berkeley Square wissen, dass es eine Miß Jones gibt.«
»Und
dann werde ich meine Einladungen zur Kindergesellschaft verschicken«, rief
Esther mit glänzenden Augen. »Es ist eine wundervolle Idee!«
»Was für eine
verflucht dumme Idee«, befand Lord Guy ärgerlich, als ihm Rainbird Bericht
erstattet hatte. »Eine Kindergesellschaft! Und was soll mir das nützen?«
»Sind
Sie nie bei einer Kindergesellschaft der Oberschicht dabei gewesen, Mylord?«
fragte Rainbird.
»Nein.
Sie etwa?«
»Ja,
Mylord. Bevor ich in Stellung ging, habe ich als Akrobat auf Jahrmärkten
gearbeitet, auch als Zauberer und Jongleur. Ich kam nach London und verdingte
mich als Unterhaltungskünstler auf Kindergesellschaften. Dabei hätte ich fast
den Verstand verloren.«
Lord
Guys Augen leuchteten boshaft auf. »Und weiß die schöne Miß Jones, was ihr
bevorsteht?«
»Nein,
Mylord. Sie hat die Kinder von Mayfair immer nur in Begleitung ihrer strengen
Kindermädchen und Gouvernanten gesehen. Sie hat nie erlebt, w le sich die
kleinen Lieblinge benehmen, wenn sie mit ihren sie vergötternden Mamas zusammen
sind.«
»Und
was für eine Rolle spiele ich dabei?«
»Ich
glaube, Mylord, Sie sollten etwa eine halbe Stunde nach dem die Gesellschaft
begonnen hat, auf der Bildfläche erscheinen Ich werde nach Ihnen Ausschau
halten, wenn Sie ganz zufällig vorbeispaziert kommen.«
»Und
ich-eile zu Hilfe?«
»Ja,
Mylord. Sie schreiten mit fester Hand und dem strengen Ton eines Moralpredigers
ein.«
»Sind
Sie denn eingeladen?« fragte Lord Guy. Dieser Butler war ein durchaus
attraktiver Mann mit seiner schlanken Figur und dem humorvollen Gesicht. Ob Miß
Jones ...? Lord Guy hätte beinahe laut geflucht. So weit war es mit ihm
gekommen, dass er auf einen Diener eifersüchtig war.
»Ja,
Mylord«, sagte Rainbird. »Ich trete als Unterhaltungskünstler auf. Angus
MacGregor, der Koch von Mylord, ist ebenfalls für den Tag angeheuert worden. Er
macht wunderbare Süßigkeiten.«
»Hat es
Miß Jones nicht fertiggebracht, ihre eigenen Diener anständig auszubilden, dass
sie meine ausleihen muss?«
»In
dieser Angelegenheit braucht man besondere Diener«, sagte Rainbird. »Wir sind
nicht alle gleich, Mylord.«
»Ja,
das sehe ich ein. Es war unbedacht von mir.«
»Joseph
soll den Kindern Eiscreme und Gelee servieren.«
Rainbird
schaute angestrengt zur Decke. »Joseph ist sehr zart besaitet. Er kann mit
Kindern nicht gut umgehen.«
Es
klopfte an der Haustüre.
»Manuel
soll hingehen«, sagte Lord Guy.
»Ihr
Diener ist ausgegangen, Mylord, kurz nachdem Sie nach Hause gekommen sind.«
»Dann
schicken Sie den Besucher, egal wer es ist, weg. Ich bin. nicht in der
Stimmung, Besuch zu empfangen.«
Ein
paar Minuten später kam Rainbird mit einer vornehm wirkenden Karte auf einem
Tablett zurück, die er Lord Guy überreichte.
»Es ist
eine Lady Debenham«, sagte er, »mit der Gouvernante ihrer Kinder. Sie besteht
darauf, Eure, Lordschaft zu sprechen. Sie behauptet, dass ihre Gouvernante von Joseph
grob beleidigt wurde.«
»Das
ist der Joseph, von dem Sie mir eben erzählten, dass er zart besaitet ist?«
»Ja,
Mylord.«
»Muss
ich sie empfangen?«
»Das
müssen Sie entscheiden, Mylord«, meinte Rainbird. »Lady Debenham wohnt in
Nummer 5 2.«
»Also
gut. Bitten Sie sie herein. Und Joseph ebenfalls.«
Lord
Guy erhob sich, als Lady Debenham den Raum betrat.
Sie sah
ihrer Gouvernante bemerkenswert ähnlich -- die gleichen harten
Gesichtszüge und das gleiche hochnäsige Benehmen. Sie setzte sich steif auf
einen Stuhl, und Miß Hunt blieb hinter ihrem Stuhl stehen.
»Ich
wäre nicht hergekommen, wenn ich nicht schmerzlich von der Beleidigung meiner
armen Miß Hunt betroffen gewesen wäre«, begann Lady Debenham.
Joseph
kam verstohlen hereingeschlichen und blieb mit unglücklicher Miene stehen.
»Bitte,
erzählen Sie mir, was geschehen ist, Lady Debenham«, forderte Lord Guy sie auf.
»Ihr
Lakai, der in Begleitung eines anderen Lakaien war, hat sich Miß Hunt genähert.
Ihr Lakai
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