04 Im Bann der Nacht
bin eigentlich nicht in der Stimmung für Gesellschaft, Styx.«
Der Anasso verschränkte die Arme vor seinem breiten Brustkorb. »Du würdest es also vorziehen, ein Loch in Vipers recht teuren Teppich zu laufen?«
»Ich würde es vorziehen, mit meiner Gefährtin im Bett zu liegen!«, schnauzte Cezar.
»Es hat keinen Zweck, sich das Unmögliche zu wünschen.« Styx blieb ruhig. »Und es ist sogar noch zweckloser, sich in diesem Zimmer einzusperren und Trübsal zu blasen. Lass uns gehen.«
Cezar biss die Zähne zusammen. Er wünschte sich, dem älteren Vampir ins Gesicht zu schreien, er solle sich zum Teufel scheren! Das Letzte, was er im Augenblick wollte, war, dieses Zimmer zu verlassen und so zu tun, als breche sein Leben nicht gerade zusammen.
Unglücklicherweise war Styx nicht irgendein Vampir. Er war der Anasso, und er verfügte über die Macht, die Kooperation von anderen zu erzwingen. Einschließlich der von Cezar.
»Wenn du darauf bestehst.« Cezar neigte steif den Kopf
und zwang seine Füße, ihn zur Tür zu tragen. Er ging an seinem Anführer vorbei und trat in den Korridor. »Aber ich schwöre, dich aus dem nächsten Fenster zu werfen, wenn du mir versprichst, alles würde bald wieder gut!«
Styx gesellte sich zu ihm und deutete wortlos auf die Hintertreppe, die zu Vipers privaten Tunneln führte. Eine Weile schritten sie stumm nebeneinander her, und die Vampirwächter, die überall im Haus zu finden waren, verschwanden beim Herannahen der beiden mächtigen Dämonen in den Schatten.
Als sie die nächste Treppe erreichten, spürte Cezar, wie Styx’ ernster Blick auf seinem angespannten Gesicht lastete.
»Die Orakel werden ihr keinen Schaden zufügen«, sagte er sanft.
Cezar fragte nicht, woher Styx sein Wissen hatte, weshalb er so aufgewühlt war. Sie hatten beide gewusst, dass dieser Tag früher oder später kommen würde.
Er fauchte, als er daran dachte, dass seine weichherzige Gefährtin sich nun in der Gewalt der Kommission befand. Diese würde sich erbarmungslos das holen, was sie wollte. Und was sie wollte, war, dass Anna ihren Platz als Orakel einnahm. Vielleicht fügte man ihr keinen körperlichen Schaden zu, doch es war sehr gut möglich, dass sie seelisch beeinträchtigt wurde, wenn man es für notwendig hielt.
»Ich bete, dass du recht hast«, erwiderte Cezar. »Aber selbst wenn wir annehmen, dass Annas Übergang zu den Orakeln ohne Komplikationen verläuft, werden diese sie niemals heimkehren lassen! Sie ist für mich verloren.«
»Ich behaupte nicht, mich mit den inneren Abläufen der Kommission auszukennen, doch gewiss wird Anna doch ein Mitspracherecht haben, wenn es um ihre Zukunft geht?«
Cezar versteifte sich bei dieser Frage zusehends. Nein. Er würde es nicht zulassen, dass sich diese gefährliche Hoffnung in seine Gedanken einschlich! Das würde ihn nur noch mehr in den Wahnsinn treiben. »Sie ist ein Orakel.« Er schloss die Augen, als er diese Worte zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervorstieß. »Das war der Grund ihrer Geburt.«
Unvermittelt umfasste Styx seine Schulter mit festem Griff. »Das Schicksal ist nicht immer in Stein gemeißelt, amigo .«
Cezar öffnete die Augen und warf seinem Freund einen misstrauischen Blick zu. »Was soll das bedeuten?«
»Einst glaubte ich, das Schicksal sei unveränderlich. Müsse unveränderlich sein«, antwortete ihm Styx mit einem melancholischen Lächeln. »Und ich war bereit, alles zu opfern, was mir lieb und teuer war, um jene zu bekämpfen, die es wagten, in den Lauf der Dinge eingreifen zu wollen. Ich war ein Narr.«
Cezar stolperte beinahe, als sie die große Öffnung am Ende der Treppe erreichten. Styx dazu bringen zu wollen zuzugeben, dass er möglicherweise unrecht gehabt hatte, war so, als würde man einen Kobold dazu bringen zuzugeben, wo er sein Gold versteckt hatte! »Großer Gott, ich hätte niemals gedacht,Worte wie diese aus deinem Munde zu hören, Mylord.«
Dieser lachte nur und eilte durch den breiten Tunnel voran, der vor ihnen lag. »Dann genieße es! Sie werden mir so schnell nicht wieder über die Lippen dringen.«
Sie setzten ihren Weg durch die undurchdringliche Finsternis fort, und Cezar stellte fest, dass seine abtrünnigen Gedanken immer noch bei den Worten seines Kameraden verweilten.
»Also glaubst du nicht länger an das Schicksal?« Er hatte die Frage ausgesprochen, bevor er sie hinunterschlucken konnte.
Styx blieb vor einer großen Holztür stehen. Seine Miene war ernst, als er in
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