04 Im Bann der Nacht
Cezars gequältem Gesicht forschte. »Ich glaube, dass das Schicksal, ob gut oder schlecht, von unseren eigenen Händen gestaltet wird.«
»Es wurde vorausgesehen, dass Anna ein Orakel werden soll«, entgegnete Cezar. »Das ist ein Schicksal, das ich nicht einfach umgestalten kann.«
»Habe Vertrauen in deine Gefährtin, Cezar«, sagte Styx sanft.
»Mein Vertrauen in Anna steht außer Zweifel!«, knurrte Cezar.
»Das ist alles, was du brauchst.«
Nachdem er seine geheimnisvolle Beteuerung ausgesprochen hatte, öffnete Styx die Tür und entzündete mit Gedankenkraft die zahlreichen Fackeln, die in den Wänden des großen Zimmers steckten. Er bedeutete Cezar mit einer Armbewegung vorzutreten.
Cezar räusperte sich, als er durch die Tür trat. Ein einziger Blick reichte aus, um zu bestätigen, dass sie sich in Vipers privatem Waffenlager befanden. Viele Gerüchte rankten sich um diese unschätzbare Sammlung, aber nur selten bekam jemand sie wirklich zu Gesicht.
Kein Wunder. Es gab genug Dämonen, die nichts unversucht lassen würden, um ein dermaßen tödliches Arsenal das ihre nennen zu dürfen.
»Was tun wir hier?«, wollte Cezar wissen, als Styx den Raum durchquerte, um zwei lange Schwerter aus einer Vitrine zu entnehmen.
Styx wandte sich um und warf eines der Schwerter in
Cezars Richtung. »Es ist einige Zeit her, seit ich die Gelegenheit hatte, mit einem würdigen Gegner zu üben.«
Cezar fing das Schwert an dem fein gearbeiteten Heft auf und prüfte geistesabwesend Gewicht und Balance der Waffe. Natürlich war sie vollendet geschmiedet und passte in seine Hand, als sei sie nur für ihn gefertigt worden.Viper gab sich niemals mit weniger als dem Besten zufrieden.
Er warf Styx einen Blick zu, der ihn erwartungsvoll ansah. Vielleicht waren einige Stunden, in denen er sein Kampfgeschick mit einem Meister auf die Probe stellte, wirklich genau das, was er jetzt brauchte. Es wäre wohl schwer, weiterhin Trübsal zu blasen, wenn ein großer Vampir zum Schlag nach seinem Kopf ausholte.
Cezar gab vor, sich mit seinem Schwert zu befassen. Dabei verlagerte er beiläufig sein Gewicht auf seine Fußballen und beugte die Knie, sodass er nun in Kampfhaltung dastand. »Es wird kein großartiger Wettkampf werden«, warnte er Styx. »Ich bin kein ebenbürtiger Gegner, nicht einmal, wenn ich nicht abgelenkt bin …«
»O nein, mein Lieber.« Styx lächelte ironisch. »Womöglich lassen sich andere durch deine vorgetäuschte Unfähigkeit zum Narren halten, Conde Cezar, doch ich gehöre nicht dazu. Ich habe schon an deiner Seite gekämpft und weiß, wie gefährlich du mit einem Schwert in der Hand bist.«
Cezar hatte kaum Zeit zu reagieren, als sich Styx ihm auch schon in einem Wirrwarr aus tödlichem Stahl und gleichermaßen tödlichen Fangzähnen näherte.
Der Kampf hatte begonnen.
Anna kam zu der Überzeugung, dass die Teleportation nur geringfügig besser war als eine Reise durch ein Portal.
Sicher, hier gab es keine Blitze auf ihrer Haut, aber dafür hatte sie bei dieser Methode das Gefühl, dass ihr Magen sich umstülpte und ihre Netzhäute von violetten Lichtblitzen verbrannt wurden. Die gute alte Bahn war nicht das schlechteste Transportmittel, wurde ihr nun klar.
Das Positive war allerdings, dass sie schon kurz nach Mitternacht zu Vipers Landhaus zurückkam.Anna dankte Siljar höflich für die schnelle Heimreise und wartete, bis die Dämonin in einem Lichtblitz verschwunden war, bevor sie sich auf die Suche nach Cezar machte.
Um jede unnötige Aufregung zu vermeiden, hatte Anna gebeten, dass sie statt in ihrem Schlafzimmer in dem wunderschönen Wintergarten auftauchten. Das Letzte, was sie wollte, war, dass Cezar das Orakel angriff und geröstet wurde, bevor Anna ihn aufhalten konnte.
Jetzt schloss sie die Augen und nahm das Gefühl seiner Anwesenheit mit ihrem Körper auf. Sie spürte einen Anflug von Überraschung, als sie merkte, dass er nicht im Haupthaus war, sondern sich irgendwo in dem riesigen Komplex aus Tunneln, der sich unter dem Anwesen erstreckte, befand. Einen kurzen Moment zögerte sie und überlegte, ob sie zum Schlafzimmer zurückkehren und sich etwas halbwegs Anständiges anziehen sollte, oder ob sie lieber dem brennenden Verlangen nachgab, so schnell wie möglich zu Cezar zu kommen.
Das brennende Verlangen setzte sich schließlich durch. Anna verließ den Wintergarten und machte sich auf den Weg zu der Tür, die zu den Tunneln führte. Das halbe Dutzend Vampire und Dämonen, das
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