04 - komplett
... Doch gibt es noch etwas, das mir Sorgen macht“, fuhr sie energisch fort. „Ertappte ich doch deine Mutter heute Morgen in meinem Zimmer bei dem Versuch, mich um meine Lieblingsbrosche zu erleichtern ...“ Sie klopfte sich auf den umfangreichen Busen, wo das genannte Schmuckstück prangte. „Ich bin sicher, es liegt an diesem Teufelszeug, von dem die Ärmste abhängig ist. Dagegen gilt es zu handeln! Doch erst zu dir, mein Kind ...“
Damit legte sie den Kopf schief und betrachtete ihre Nichte versonnen.
„Was ist mit mir?“, fragte diese entgeistert. „Ich versichere Ihnen ...“
„Oh, erspare dir unnötige Erklärungen!“, unterbrach Lady Salome sie unbekümmert.
„Mir scheint, meine Liebe, dass du, obwohl deinem Gatten überaus zugetan, in dieser Verbindung noch nicht dein Glück gefunden hast. Um ehrlich zu sein, machte ich vor einigen Monaten Christophers Bekanntschaft, und er war so freundlich, mich ins Vertrauen zu ziehen. Daher bin ich bekümmert, dass er es noch nicht schaffte, deine Liebe und dein Vertrauen zurückzugewinnen!“
„Um Himmels willen, warten Sie!“, rief Eleanor aus, der sich der Kopf zu drehen begann. „Sie lernten Kit schon früher kennen? Das hat er mir verschwiegen! Ich dachte, Sie trafen ihn heute zum ersten Mal!“
„Natürlich schwieg er, da ich ihn darum bat“, erklärte Tante Trevithick. „Ein kleiner Kniff, mein Kind, für den ich mich gern entschuldigen will. Es ist natürlich eine Sünde, jemanden zu hintergehen, und ich muss Gott um Vergebung bitten; doch war es das Beste in dieser Lage! Christopher gab mir sein Wort, Stillschweigen über unsere Bekanntschaft zu bewahren, bis ich dir unter vier Augen reinen Wein einschenken kann. Und deshalb ...“, sie machte eine entschuldigende Geste, „... bin ich nun hier!“
„Tante Trevithick, wie können Sie in solch kurzer Zeit über unsere bestgehüteten Geheimnisse im Bilde sein?“, fragte Eleanor, bevor sie bestürzt beide Hände vor den Mund schlug. „So wissen Sie, dass Kit und ich noch unversöhnt sind, Mama stiehlt und Marcus und Justin törichterweise die alte Fehde mit der Familie Mostyn wieder aufleben ließen!“
„Aha! So geht es also darum!“, rief Lady Salome triumphierend aus. „Hab ich mir’s doch gedacht, dass Beth und Charlotte gute Gründe haben müssen, ihren Ehegatten ihre ... äh ... Gunst zu entziehen!“
„Was Mama betrifft, so haben Sie sicher recht. Sie steht unter dem Einfluss ihrer Medizin und tut alles dafür, sie kaufen zu können ...“
„Was ein ernstzunehmendes Problem darstellt!“, unterbrach Lady Salome ihre Nichte und wiegte sorgenvoll ihr Haupt.
„Was aber wollten Sie mir von Kit erzählen?“, fragte Eleanor mit forschendem Blick.
„Er sagte, er besitze nicht die Freiheit, mir alles über die Gründe seiner Abwesenheit mitzuteilen, doch nahm ich an, es ginge um Geschäfte und nicht um Familienangelegenheiten ...“
„Annahmen sind keine Sicherheiten, Kind!“, verkündete Lady Salome. „Doch will ich dich in Kürze über die Hintergründe informieren. Stand nicht etwas Ähnliches im Brief des heiligen Paulus an die Korinther, Kapitel ... äh ... ? Nun, lassen wir’s dabei.“
Sie lehnte sich zurück. „Der Lunch war ganz köstlich, Kindchen! So wird den Denkprozessen auf die Sprünge geholfen. Ach ja ...“ Damit atmete sie laut seufzend aus und saß ein Weilchen sinnend da.
„Was die dummen Feindseligkeiten von Marcus und Justin anlangt, bin ich sicher, dass Beth und Charlotte in Bälde triumphieren werden!“, hub sie unvermittelt wieder an, wobei sie ihrer Nichte zublinzelte. „Keiner der beiden besitzt die Stärke, eine längere Abstinenz durchzuhalten, zumal sie ihre bezaubernden Ehefrauen täglich um sich haben. Die Situation ist eigentlich recht komisch, einem moralischen Lehrstück nicht unähnlich! Was aber deine Mutter angeht ...“ Hier wurde sie wieder ernst. „Ihr Problem ist schwerer zu beheben, fürchte ich.“
„Mama nimmt schon seit vielen Jahren Laudanum ein“, berichtete Eleanor voller Sorge. „Aber das tun viele ihrer Freundinnen! Lady Pomfret und Lady Spence, Mrs.
Hetherington ... So hielt ich es lange für völlig unschädlich.“
„Da gilt es Unterschiede zu beachten!“, dozierte ihre Tante. „Im Übermaß genossen ist Laudanum, weil es Opium enthält, eine gefährliche Arznei und untergräbt im fortgeschrittenen Stadium der Abhängigkeit auf traurige Weise das Moralempfinden.
Oh, natürlich hilft es gegen
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