04 - komplett
hinderte, dazwischen grässlich weitschweifige Predigten zu halten ... Obschon die Inselbewohner ihren Pfarrer kurios genug fanden, um ihn zu mögen, und wir seine Schwächen im Namen der Familienehre zu vertuschen suchten, sah ich beizeiten das Ende voraus ...“ Hier hielt sie kurz inne.
„Vergib mir, Kind, dass ich so weit aushole“, entschuldigte sie sich. „Um es kurz zu machen: Der Bischof sandte deinen Onkel im Januar von Exeter nach Irland und ließ keinen Zweifel daran, dass er ihm damit zum letzten Male eine Chance zur Bewährung einräumte. Doch nutzte John diese unseligerweise nicht. Ständig kam er zu spät, ließ sogar Gottesdienste ausfallen, betrank sich und zeigte sich im Großen und Ganzen uneinsichtig ...“ Eleanor merkte ihr an, wie diese Erinnerung sie immer noch bedrückte.
„Ich war am Ende meiner Weisheit, als Christopher in unserem Gasthof in Irland, wohin ich meinen Bruder begleitet hatte, abstieg“, nahm sie den Faden wieder auf,
„denn mein Bruder hatte das ganze Geld, das wir mitgenommen hatten, für Alkohol verschleudert, sodass ich weder die Unterkunft noch die Rückreise bezahlen konnte!
So wirst du verstehen, wie erleichtert ich war, einen Verwandten um Hilfe bitten zu können. Christopher brauchte Wochen, um das ganze Durcheinander, das John angerichtet hatte, halbwegs in Ordnung zu bringen“, fuhr Lady Salome bekümmert fort. „Dein Gemahl ist ein perfekter Gentleman, der, wiewohl er dringend heimzukehren wünschte, uns niemals uns selbst überlassen hätte.“
Eleanor wurde von warmer Zuneigung für ihren Gatten ergriffen, dessen Verhalten ihr nun als äußerst ehrenwert vorkam, das wahrlich keinen Tadel zu verdienen schien.
„Eines Abends dann vertraute er mir die Geschichte eurer frisch geschlossenen Ehe an ...“ Hier stockte ihre Tante in ihrer Rede und blickte Eleanor betrübt an. „Ich gebe zu, dass ich sehr bestürzt war, Kind – oh, nicht wegen der Form, die ihr für eure Hochzeit wähltet, sondern weil dein Gatte dich zu solch unglücklichem Zeitpunkt verlassen musste. Noch dazu trug ich Schuld an der zusätzlichen Verzögerung seiner Heimreise!“ Für einen Augenblick schien es, als wollten Lady Salome die Tränen kommen, doch kämpfte sie diese erfolgreich nieder.
„Ich drängte ihn, sofort abzureisen, aber er wollte nichts davon hören. Vielmehr sprach er von Briefen, die er dir geschickt hatte, und wie sehr er darauf vertraute, dass zu guter Letzt alles wieder ins Lot kommen werde ... Es tut mir schrecklich leid, mein Liebes“, versicherte Lady Salome ihrer Nichte mit seltsam rauer Stimme, kramte in ihrem Retikül, zog ein Taschentuch hervor und putzte sich geräuschvoll die Nase.
Eleanor kam ein Gedanke. „Wann kehrten Sie nach England zurück, Tante?“, fragte sie. „Und reiste Kit mit Ihnen?“
„Jawohl, mein Kind“, bestätigte Lady Salome ihre Vermutung. „Alle drei schifften wir uns Ende letzten Monats ein, und als wir England erreichten, mussten John und ich stehenden Fußes nach Exeter, um dort beim Bischof vorzusprechen. Mein Bruder hatte keine Wahl und trat von seinem Amt zurück.“
Eleanor atmete tief aus. Sie wusste nun, dass Kit, gleich nachdem sich seine Wege von denen ihrer Tante trennten, direkt nach London geeilt war ... Der Zettel mit der geheimnisvollen Inschrift ‚John heute Abend, sieben Uhr‘ fiel ihr wieder ein; nie hätte sie gedacht, solch harmlose Erklärung dafür zu erhalten!
Lady Salome wirkte nun deutlich erleichtert und verstaute das Taschentuch resolut in ihrem Retikül, schien doch der Moment, in Tränen auszubrechen, überwunden.
Sich vorbeugend tätschelte sie ihrer Nichte die Hand.
„Zögere nicht, deinen Ehegatten davon zu unterrichten, dass wir uns ausgesprochen haben, Kind!“, bat sie. „Ich weiß, wie viel du ihm bedeutest! Und hier ...“, damit presste sie sich die Hand aufs Herz, „fühle ich mich verantwortlich dafür, dass ihr euch so entfremdet habt! Ich war es, die Christopher zu Stillschweigen verpflichtete, da ich nichts über die Schande meines Bruders verlauten lassen mochte, bevor er sich in seinem neuen Lebensbereich eingelebt und ich pflichtgemäß Marcus als Familienoberhaupt zuallererst von der Sache berichtet hätte. Doch sahen wir beide nicht voraus, welche Komplikationen sich daraus ergeben würden ...“
„Was Marcus angeht“, entrüstete Eleanor sich, „kann ich nicht glauben, dass er weiß, was geschah, da er sich so feindselig gegen Kit benimmt ...“
Lady
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