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04 - Lebe lieber untot

04 - Lebe lieber untot

Titel: 04 - Lebe lieber untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberly Raye
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herab, die von einer Million winziger Krähenfüße umgeben waren und mich anstarrten.
    „Sind Sie Miss Lil?“ Er war ein kleiner, untersetzter alter Mann in einem grauen Overall und mit schwarzen Slippern. Um die Taille hatte er einen Werkzeuggürtel geschnallt. An der einen Hüfte trug er ein Walkie-Talkie, während von der anderen ein riesiger Schlüsselbund baumelte. „Lil Marchette?“
    „Das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, war ich's noch.“
    Erleichterung füllte seine blassen Augen. „Sie haben die hier in einem unserer Vorratsräume liegen lassen.“ Er hielt meine Handtasche hoch, und ich ging in Gedanken noch einmal die letzte halbe Stunde durch.
    Erst hatte ich meine Dienste in der Schlange vor der Toilette angeboten, dann war ich Carmen zum Vorratsraum gefolgt. Hatte ihr dort geholfen.
    Ich hatte meine Tasche zur Seite gelegt und völlig vergessen.
    Gut gemacht, Dummkopf.
    „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich Ihre Geldbörse geöffnet habe“, fuhr er fort, „aber ich musste doch Ihren Ausweis überprüfen, um zu wissen, wem die Tasche gehört. Wirklich hübsches Foto übrigens.“
    „Danke.“ Als mir klar wurde, was mir da fast passiert wäre, bekam ich vor Erleichterung ganz weiche Knie.
    Vergessen Sie das Portemonnaie. Um ein Haar hätte ich mein Make-up-Täschchen verloren, mitsamt dem neuen Hot-Toddy-Terriffic-Lipgloss, den ich mir gestern erst gekauft hatte.
    „Ist alles noch drin“, versicherte mir der alte Mann.
    „Drei Dollar, zweiundfünfzig Cent und neunzehn Kreditkarten.“
    „Eigentlich sind es zwanzig, aber meine Barney's hab ich zu Hause gelassen.“ Ich hatte mein Limit erreicht und konnte sie bis zur nächsten Ratenzahlung nicht einsetzen. „Vielen, vielen Dank.“ Meine Hand glitt in die Tasche. Meine Finger schlossen sich um das kleine Röhrchen und ich lächelte. „Sie sind ein wahrer Lebensretter.“
    „Bin froh, dass ich helfen konnte.“ Er grinste. Seine blauen Augen funkelten, und sämtliche Einzelheiten über sein Leben waren so klar darin zu lesen wie eine Leuchtschrift am Times Square.
    Earl Hubert Stanley. Vater von vier erwachsenen Töchtern; eine von ihnen war Kinderärztin in Rockaway Beach. Zweiundfünfzig Jahre lang mit Emmaline Louise Stanley verheiratet, die im letzten Frühjahr verstorben war. Er war jetzt seit achtundzwanzig Jahren Hausmeister in St. Michaels. Eigentlich hatte er sich im vergangenen Jahr zur Ruhe setzen wollen (Emmaline und er hatten vorgehabt, sich ein Wohnmobil zu kaufen und nach Branson und Dollywood zu reisen, weil Emma ein riesiger Fan von Dolly Parton war). Aber dann war Emma gestorben, und seitdem hatte er sich nicht einmal mehr eine Wiederholung des Films Das schönste Freudenhaus in Texas ansehen können.
    Seine älteste Tochter hatte ihn gedrängt, sich einem Bridgeclub oder einer Golfgruppe für Senioren oder eben irgendetwas anzuschließen. Sie meinte, er müsse öfter ausgehen und unter die Leute kommen. Vielleicht eine nette Frau kennenlernen, mit der er ab und zu mal zu Abend essen könnte, statt immer nur irgendwelche Fertiggerichte allein vor dem Fernseher zu sich zu nehmen. Er entgegnete Suzie dann immer, er brauche keine verfluchte Verabredung zum Essen, und außerdem schmeckten ihm diese Tiefkühlsachen ganz ausgezeichnet. Vor allem das Hühnchen. Sicher, manchmal dachte er auch, es wäre ganz nett, ab und zu mal Gesellschaft zu haben. Aber er konnte sich einfach nicht an den Gedanken gewöhnen, mit einer anderen Frau als seiner geliebten Emmaline das Brot zu brechen.
    Ooohhhh ...
    „Und passen Sie gut auf sich auf, Miss Lil, und unterhalten Sie sich nicht mit Fremden. Die Stadt kann nachts ganz schön unerbittlich sein.“ Er machte Anstalten, sich umzudrehen.
    „Warten Sie.“ Ich berührte seinen Arm. „Ich würde mich gern für Ihre Freundlichkeit revanchieren.“
    „Ach nein.“ Er winkte ab. „Ich möchte kein Geld nehmen. Das wäre nicht richtig.“
    Der Mann gefiel mir immer besser. „Wie wäre es mit einem Date?“ Ich reichte ihm eine DED-Karte.
    Er studierte das weiße Stück Papier eine ganze Weile, bevor er den Kopf schüttelte. „Das ist wirklich nett von Ihnen, aber ich glaube nicht.“
    „Ich könnte Ihnen helfen, Ihre Seelengefährtin zu finden.“ „Die hab ich schon gefunden.“
    Es schnürte mir glatt die Brust ab, und sofort tauchte ein Bild von Ty in meinem Kopf auf. Nicht, dass er mein Seelengefährte oder so was wäre. Oder dass zwischen uns eine Verbindung

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