04 - Lebe lieber untot
anschließend noch auf einen Drink zusammen weggehen. Um uns ein bisschen besser kennenzulernen. Zum Beispiel, wie sich deine Matratze so anfühlt.
„Weil du im Weg bist.“
„Das würde ich wirklich gern -“ Mir blieben die Worte im Hals stecken, und das Lächeln auf meinem Gesicht erstarb. „Wie bitte?“
Seine Lippen wirkten jetzt nicht mehr voll und sinnlich, sondern zusammengepresst und verkniffen. Sein Blick wurde hart. „Du hast diese Festnahme behindert.“
„Hallo? Ich hab dabei geholfen, einen sabbernden Kriminellen zu fassen.“
„Du hast ihm einen Ausweg geboten.“ Er blickte an mir vorbei, während seine Brüder Schleimi auf die Füße zerrten. „Du hast verdammt viel Glück gehabt, dass er ihn nicht genutzt hat.“
„Worüber redest du da eigentlich?“ Der Gestank von verdorbenem, verwestem Fleisch attackierte meine Nase, als das Trio an uns vorbei zur Hintertür flitzte.
Das Geräusch aufeinander-mahlender Zähne drang an mein Ohr, und auf einmal überzog mich von Kopf bis Fuß eine Gänsehaut, als hätte mich ein eisiger Luftzug gestreift.
Ich erstarrte, und Ashs Blick wurde noch härter. „Du hättest ihn nicht verfolgen sollen. Damit hättest du dir fast einen Riesenärger eingehandelt.“
„Nur für den Fall, dass du noch nichts davon gehört hast: Ich bin nicht gerade ein hilfloses kleines Frauchen.“
Wieder verkrampfte ich mich, als mich unerwartet eine Woge der Angst überspülte. Ich weiß, ich weiß. Ich bin ein Vampyr. Unbesiegbar. Gemein. Grausam. Gefühllos.
Das „Sich-vor-Angst-in-die-Hose-machen“-Chromosom war kein Bestandteil meines DNA-Cocktails. Ich ließ ganz kurz einen kleinen Fangzahn aufblitzen, um meine Worte zu unterstreichen. „Ich kann durchaus auf mich selber aufpassen.“
„Wenn es um einen anderen Vampir geht.“
„Oder so ein Wer-Vieh“, fügte ich hinzu. Unsere Blicke trafen sich, und ich hob eine Augenbraue. „Oder einen Dämon. Also, wenn ich es mir recht überlege, bleib ich doch noch ein bisschen hier und hol mir die ein oder andere Bingokarte.“ Ich konnte mit allem fertig werden, auch wenn ich zugegebenermaßen ein eher behütetes Leben geführt hatte, bevor ich meine Partnervermittlung aufgemacht hatte.
Im Grunde hatte ich zu Hause bei meinen Eltern gewohnt und den Großteil meiner Zeit mit anderen gebürtigen Vampiren verbracht. Und obwohl ich natürlich etwas über die anderen übernatürlichen Spezies gelernt hatte - alles, von gewandelten Vampiren über Wer-Geschöpfe und Dämonen bis hin zum Yeti -, hatte ich bis vor Kurzem noch nie leibhaftig einem von ihnen gegenübergestanden.
Ty war meine erste Begegnung mit einem gewandelten Vampir gewesen. Mit Viola hatte ich mein erstes Wer-Geschöpf persönlich kennengelernt. Und Ash war mein erster Dämon gewesen.
Fehlte immer noch der Yeti, aber ich war sicher, dass ich mit den anderen drei Kategorien ohne Probleme zurechtkommen würde.
Als meine Hand zu jucken begann, fiel mir wieder der Schleimklumpen ein, der jetzt zäh über meine Finger glitt und mir von der Handfläche tropfte.
Ich schluckte. „Das heißt, ich würde schrecklich gerne bleiben und noch ein paar Bingokarten verheizen, wenn bei mir im Büro nicht noch jede Menge Arbeit auf mich warten würde.“ Schon gut, schon gut. Meine Aversion gegen Blut erstreckte sich auch auf andere Körperflüssigkeiten. „Wie ich sehe, hast du die Situation jetzt komplett unter Kontrolle, also überlass ich es dir, die Sache hier zu Ende zu bringen.“
Es sei denn du würdest gerne, du weißt schon ...
„Bis später.“ Offenbar nicht.
Ich drehte mich um, genau wie Ash. Nachdem ich ein paar Schritte weit gehumpelt war, hörte ich die Tür hinter mir zuschlagen. Als ich gerade nach einem Taxi pfeifen wollte, zuckten meine Super-Deluxe-Ohren beim Geräusch quietschender Türangeln.
Mein Puls beschleunigte sich, und ein Schauer der Erregung durchfuhr mich, gefolgt von einem Stich in die Brust (ein Gefühl, das ich irrtümlicherweise für ein schlechtes Gewissen hätte halten können, wenn es denn einen Grund für mich gäbe, ein schlechtes Gewissen zu haben, was absolut in keinster Weise der Fall war).
Ich drehte mich um, in der Erwartung, Ash würde mich in seine Arme ziehen und es mir so richtig besorgen.
Oder mir zumindest tief in die Augen sehen und mich zu einer Tasse Kaffee einladen. Stattdessen starrte ich unerwartet auf einen Kopf voller schneeweißer Haare.
Mein Blick senkte sich auf ein Paar klarer blauer Augen
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