04 - Lebe lieber untot
hier?“
„Natürlich nicht.“ Ich bot mein verächtlichstes Lachen auf. „Nur ich. Meine Wenigkeit. Mutterseelenallein.“
Als er Anstalten machte, an mir vorbeizugehen, legte ich beide Hände fest auf seine Brust, noch bevor er den ersten Schritt machen konnte. „Was hast du vor?“
„Ich will mich hinsetzen, damit wir beide in Ruhe über alles sprechen können.“
„Aber es gibt nichts zu besprechen. Ich kann auf mich selbst aufpassen - Ende der Diskussion.“
Misstrauen stieg in seinen Blick, als er nun auf mich hinabstarrte. „Du weißt mehr, als du zugibst, und ich will wissen, was du weißt.“ Er packte meine Hände und zwang mich, sie von ihm herunterzunehmen.
Für einen gewandelten Vampir war er überraschend stark. Aber schließlich hatte ich auch kein Abendessen gehabt, außerdem ging mir langsam die Supervampirenergie aus.
Dennoch blieb ich felsenfest stehen und hinderte ihn daran, meine Wohnung zu betreten.
„Du gehst jetzt besser beiseite, weil ich nämlich reinkomme“, warnte er mich.
„Nein, das tust du nicht.“ Meine Hände taten dort, wo er mich gepackt hatte, immer noch weh. Auf einmal hatte ich eine Idee. „Ich habe dich nicht gebeten hereinzukommen“, fügte ich triumphierend hinzu.
„Also kannst du das Apartment nicht betreten.“
Er machte wieder auf Supervampir, umfasste meine Taille, hob mich hoch und räumte mich einfach zur Seite. „Das funktioniert nur im Fernsehen.“ Und dann spazierte er einfach so in meine Wohnung.
Okay, das hatte ich natürlich gewusst, aber etwas anderes war mir einfach nicht mehr eingefallen.
„Halt!“, rief ich, als er zur Schlafzimmertür ging. Von der anderen Seite war ein gleichmäßiges Geräusch zu hören, und ich wusste, dass Evie meine iPod-Dockingstation angeschaltet hatte.
Oh, oh.
Aus den Lautsprechern dröhnte Marvin Gayes „Sexual Healing“. Die Musik und der Text vermischten sich mit einem langen, tiefen, kehligen Stöhnen. Ty erstarrte.
„Was zum Teufel.-..?“
„Du kannst da jetzt nicht rein.“ Ich umrundete ihn eilig und stellte mich vor die Schlafzimmertür. „Da ist... „ Ich suchte nach den passenden Worten. „Da ist jemand drin.“ Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als alles zuzugeben und zu hoffen, dass mein Vampircharme ausreichen würde, um Ty davon abzuhalten, Ash anzurufen und mich zu verraten.
Entweder mein Charme oder meine Tränen. Große, dicke Tropfen, die ihn dermaßen ausrasten lassen mochten, dass er komplett vergessen würde, was sich hinter Tür Nummer eins befand, und er nur noch einen Gedanken haben würde: Raus aus PMS-hausen.
„Ich wollte es dir ja sagen.“ Ich blinzelte ein paar Mal, um die Schleusen zu öffnen. „Ich wusste nur nicht, wie.“
„Es ist also das, wovon ich denke, dass es das ist?“ Tys Gesicht verdüsterte sich, und seine Augen leuchteten auf einmal blendend hellblau.
Ich zwang mich zu den Worten: „Ja, das ist es.“
Seine Lippen formten eine schmale, durchgehende Linie, und seine Brauen näherten sich einander an.
„Verdammt noch mal, Lil.“
„Ich kann jemandem, der mir wichtig ist, doch nicht einfach so den Rücken zukehren“, erklärte ich eilig. „Ich meine, wir kennen uns jetzt schon eine ganze Weile und stehen uns ziemlich nahe.“
Er schüttelte den Kopf, als könnte er nicht glauben, was er da hörte. „So viel bedeutet er dir?“
Er? Ich meinte eigentlich Evie und nicht den Dämon, aber da Ty inzwischen so wütend aussah, als ob er mich am liebsten in der Luft zerrisse, wollte ich mich jetzt nicht über Fragen der Semantik mit ihm streiten.
„Ja“, erklärte ich, „das tut er.“
„Ich kann das verdammt noch mal nicht glauben.“
Wieder schüttelte er den Kopf, bevor er mich mit seinem durchdringenden blauen Blick festnagelte. „Das war's dann also? Du schläfst jetzt mit Remy, und ich soll einfach alles vergessen, was zwischen uns passiert ist, mich umdrehen und verschwinden?“
Ich nickte. „Allerdings schlafe ich mit - warte mal. Hast du gerade Remy gesagt?“
„Er ist hier, stimmt's?“ Er zeigte auf die Tür in meinem Rücken. „Da drin.“
„Ist er? Ich meine, ja klar“, ich nickte heftig, „da drin.“
Lügnerin, tadelte mich mein Gewissen. Aber es ging doch nur um eine winzige weiße Lüge und keine dicke, fette, schwarze Lüge. Außerdem hatte ich mir die Lüge ja nicht mal selbst ausgedacht. Ty war derjenige, der von Remy angefangen hatte. Ich nahm die Lüge nur auf, im Interesse der Selbsterhaltung, denn
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