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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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immer seine wirksamste Abwehr gewesen. Arbeitstische und Mikroskope wurden zu Wehrmauern, die keiner erklimmen konnte, unermüdliche Arbeit zum Betäubungsmittel, das den Schmerz über den Verlust dämpfte. Helen betrachtete das Labor und sah es ausnahmsweise nicht als das Zentrum seines beruflichen Lebens, sondern als den Zufluchtsort, der es ihm geworden war: ein großer Raum, der leicht nach Formaldehyd roch; an den Wänden anatomische Atlanten, Diagramme und Regale; auf dem Boden alte, knarrende Holzdielen; in der Decke ein großes Oberlicht, durch das milchiges Sonnenlicht fiel, das dem Raum eine unpersönliche Atmosphäre gab. Die Einrichtung bestand aus Tischen und hohen Hockern, Mikroskopen, Computern und einer Vielfalt von Geräten. Links führte eine Tür in Deborah Cotters Dunkelkammer. Sie war während der Jahre ihrer Abwesenheit immer geschlossen geblieben. Helen überlegte, was St. James tun würde, wenn sie sie jetzt öffnete und so gewissermaßen das verbotene Tor zu den Tiefen seiner Seele aufrisse, in die er keinen einen Blick tun lassen wollte.
    »Deborah kommt heute abend nach Hause, Simon. Warum hast du mir das nicht gesagt?«
    St. James nahm einen Objektträger aus dem Mikroskop und schob einen anderen hinein. Er stellte das Objektiv schärfer ein und machte sich nach längerer Betrachtung dieser neuen Probe einige kurze Notizen.
    Helen beugte sich über den Arbeitstisch und knipste das Licht des Mikroskops aus. »Sie kommt nach Hause«, sagte sie leise. »Du hast den ganzen Tag kein Wort darüber verloren. Warum nicht, Simon? Sag es mir.«
    Anstatt ihr zu antworten, sah St. James über ihre Schulter hinweg an ihr vorbei. »Was gibt es, Cotter?«
    Helen drehte sich herum. Cotter stand mit gerunzelter Stirn an der offenen Tür und wischte sich das Gesicht mit einem weißen Taschentuch. »Sie brauchen Deb heute abend nicht vom Flughafen abzuholen, Mr. St. James«, sagte er hastig. »Lord Asherton holt sie ab. Er nimmt mich mit. Er hat mich vor einer knappen Stunde angerufen.«
    Einen Moment lang war nur das Ticken der Wanduhr zu hören, dann begann irgendwo draußen ein Kind laut und zornig zu weinen.
    St. James erwachte aus seiner Reglosigkeit. »Gut«, sagte er.
    »Das trifft sich gut. Ich habe noch einen ganzen Berg Arbeit vor mir.«
    Helen war bestürzt. Seine Worte schienen ihr alles, was sie für selbstverständlich gehalten hatte, auf unglückliche Weise auf den Kopf zu stellen. Die naheliegende Frage auf der Zunge, blickte sie von St. James zu Cotter. Aber die abwehrende Zurückhaltung der beiden Männer warnte sie davor, sie auszusprechen. Dennoch sah sie, daß Cotter bereit war, mehr zu sagen. Er schien auf irgendeinen Nachsatz von St. James zu warten. Doch St. James fuhr sich nur mit der Hand durch das widerspenstige schwarze Haar und schwieg. Cotter trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Dann geh ich jetzt wieder an die Arbeit.« Mit einem Nicken ging er aus dem Zimmer, aber seine Schultern krümmten sich wie unter einer Last, und sein Schritt war schwer.
    »Hab' ich das richtig verstanden«, sagte Helen. »Tommy holt Deborah vom Flughafen ab. Tommy, nicht du?«
    Es war eine durchaus verständliche Frage. Thomas Lynley, Lord Asherton, war nicht nur ein alter Freund von St. James, sondern auch von Helen, und in seiner Eigenschaft als Kriminalbeamter, der seit zehn Jahren bei New Scotland Yard tätig war, auch ein Berufskollege. Als Freund wie als Kollege war er häufiger Gast in St. James' Haus in der Cheyne Row. Aber seit wann, fragte sich Helen, kannte er Deborah Cotter so gut, daß er und nicht St. James sie nach drei Jahren Ausbildung in Amerika vom Flughafen abholte? Daß er ganz selbstverständlich ihren Vater anrief und ihn vor vollendete Tatsachen stellte, als wäre er - in was für einer Beziehung stand Tommy eigentlich zu Deborah?
    »Er hat sie in Amerika besucht«, antwortete St. James.
    »Mehrmals. Hat er dir das nie erzählt, Helen?«
    »Was?« Helen war perplex. »Woher weißt du das denn? Doch bestimmt nicht von Deborah. Und Tommy weiß doch, daß du immer -«
    »Cotter hat es mir letztes Jahr erzählt«, unterbrach St. James. »Ich vermute, er machte sich Gedanken über Tommys Absichten, wie das wohl jeder Vater tun würde.«
    Sein trockener, distanzierter Ton sprach Bände. Sie empfand tiefes Mitleid mit ihm.
    »Die drei Jahre ohne sie waren schlimm für dich, nicht wahr?«
    St. James zog ein anderes Mikroskop über den Tisch und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf

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