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04 - Mein ist die Rache

04 - Mein ist die Rache

Titel: 04 - Mein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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den Fenstern, daß das Klirren der Scheiben und das Knarren des Holzes nicht zu ignorieren waren. St. James riß der Lärm aus seinen schweigenden Betrachtungen über den Tod Mick Cambreys und Justin Brookes, und seine Gedanken wandten sich unwillkürlich dem Verschwinden der Daze zu. Er wußte, daß Lynley den ganzen Tag vergeblich nach seinem Bruder gesucht hatte, Die Küste war zerklüftet, ihre Höhlen und Buchten waren vom Land aus schwer zu erreichen.
    »Ich habe völlig vergessen, den Speisezettel zu ändern«, bemerkte Daze Asherton entschuldigend angesichts des Überflusses an Speisen auf dem Tisch. »Nach allem, was geschehen ist, habe ich ganz den Überblick verloren. Ursprünglich sollten wir ja heute abend mindesten neun Personen sein. Zehn, wenn Augusta geblieben wäre. Es ist ein Glück, daß sie gestern abend abgefahren ist. Wäre sie heute morgen hier gewesen, als Jasper den toten Brooke fand ...«
    Sie brach ab, als wäre ihr plötzlich bewußt geworden, wie wirr ihr Gerede klang.
    Kerzenschein und Schatten spielten auf dem türkisfarbenen Kleid, das sie anhatte, und verwischten die Linien von Angst und Sorge in ihrem Gesicht, die im Lauf des Tages immer stärker hervorgetreten waren. Sie hatte Peter mit keinem Wort mehr erwähnt, seit sie erfahren hatte, daß er verschwunden war und unauffindbar blieb.
    »Der Mensch muß essen, Daze, das ist nun mal so«, bemerkte Cotter, obwohl er sichtlich so wenig Appetit hatte wie alle anderen.
    »Aber uns fehlt irgendwie die Lust daran, nicht wahr?«
    Daze Asherton sah Cotter lächelnd an, aber ihre Angst war fühlbar. Sie drückte sich in ihren hastigen Bewegungen aus, in den flüchtigen Blicken, mit denen sie ihren ältesten Sohn streifte, der in ihrer Nähe saß.
    Lynley war knapp zehn Minuten vor dem Abendessen nach Hause gekommen und hatte dann im Verwalterbüro telefoniert, bis zu Tisch gerufen worden war. St. James wußte, daß er mit seiner Mutter nicht über Peter gesprochen hatte, und er schien auch jetzt nicht bereit, etwas über ihn zu sagen.
    Daze Asherton schien es zu spüren. Sie wandte sich an St. James. »Wie geht es Sidney?«
    »Sie schläft jetzt. Sie möchte morgen nach London zurückfahren.«
    »Hältst du das für gut, St. James?« fragte Lynley.
    »Sie ist fest entschlossen.«
    »Und begleitest du sie?«
    Er schüttelte den Kopf. Er hatte die kurze Unterhaltung, die er vor knapp einer Stunde mit seiner Schwester geführt hatte, noch lebhaft im Gedächtnis. Auf seine Frage nach Justin Brooke hatte sie mit Ablehnung geantwortet. »Frag mich nicht, zwing mich nicht«, hatte sie gesagt. Sie hatte fiebrig ausgesehen, krank und elend. »Ich kann nicht, ich kann nicht. Bitte, zwing mich nicht, Simon.« »Sie möchte allein fahren«, sagte er.
    »Vielleicht möchte sie mit seiner Familie sprechen. Hat die Polizei sie schon unterrichtet?«
    »Ich weiß gar nicht, ob er überhaupt Familie hat. Ich weiß eigentlich fast gar nichts über ihn.« Außer, fügte er für sich hinzu, daß ich froh bin, daß er tot ist. »Auf jeden Fall denke ich, ist es gut für sie, wenn sie abreist. Niemand hat von ihr verlangt zu bleiben. Jedenfalls nicht offiziell.«
    Er sah, daß die anderen ihn verstanden. Die Polizei hatte nicht verlangt, mit Sidney zu sprechen. Für sie war Brookes Tod die Folge eines Unglücksfalls.
    Schweigen folgte seinen Worten. Dann klopfte es, und Hodge trat ins Speisezimmer. »Ein Anruf für Mr. St. James.«
    Hodge hatte eine Art, seine Meldungen zu machen, als stünde das Verhängnis unmittelbar bevor: ein Anruf des Schicksals, Hekate am Apparat. »Im Verwalterbüro. Lady Helen Clyde.«
    St. James war dankbar für diesen Vorwand, sich entfernen zu können. Er folgte dem Butler in den Westflügel des Hauses. Nur auf dem Schreibtisch brannte eine Lampe. In ihrem Lichtschein lag der Telefonhörer. Er nahm ihn.
    »Sie ist nicht da«, sagte Helen, als sie seine Stimme hörte.
    »Sie ist anscheinend weggefahren, irgendwohin, wo's locker und ungezwungen zugeht. Sie hat nur ihre Tageskleider mitgenommen. Die Abendsachen hängen alle noch im Schrank. Und es ist kein Koffer in der Wohnung.«
    »Ihr seid hineingekommen?«
    »Nur ein paar dreiste kleine Lügen, und schon hatte ich den Schlüssel.«
    »Du hast deinen Beruf verfehlt, Helen.«
    »Weiß ich doch, Darling. Hochstaplerin hätte ich werden müssen. Das hab' ich der Tatsache zu verdanken, daß ich mich in meiner Jugend statt auf der Universität in feinen Mädchenpensionaten herumgetrieben

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