04 Verhaengnisvolles Schweigen
ihre Hausarbeit zu unterbrechen wagte. Während sie dann angefangen hatte, die Fenster zu putzen, hatte er sich auf das Bett gesetzt. Die ganze Zeit spürte sie, wie er sie beobachtete. Als er schließlich seine Arme um ihre Hüften legte, sagte sie nein. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, und er beugte sich vor, um ihren Hals zu küssen, dort, wo sie die blonden Haarsträhnen zur Arbeit hochgesteckt hatte. Sie wehrte sich, aber er hielt sie fest und suchte mit den Händen ihre Brüste. Sie ließ das Fensterleder los, das in den Eimer fiel und Wasser über den Teppich verspritzte.
Warum ließ sie ihn gewähren? Sie hatte ihn immer gemocht, aber warum das? Warum ließ sie ihn tun, was sie am meisten hasste? Sie dachte, dass es vielleicht der Preis war, den sie zahlen musste, weil er ihr eine Chance zur Flucht anbot. Er war sanfter als Sam. Seine Lippen fuhren über ihre Schulter, und seine Hände glitten hinab über ihren Bauch bis zu den Schenkeln. Sie hatte nicht den Mut, dagegen anzukämpfen. Männer waren so stark. Bestimmt würde es keinen Schaden anrichten, dachte sie, solange sie es nicht genoss. Vor allem durfte sie Sam nicht davon erzählen. Das hieß, dass sie auch lügen musste. Sie würde sich den Mund mit Seife auswaschen müssen.
Als seine Hände ihr Kleid aufknöpften, sagte er, dass er sie liebe, dass er sie schon immer gewollt habe. Sie wehrte sich wieder, nicht so heftig diesmal, und er schob sie zum Bett. Dort zog er sie ganz aus. Sie zitterte, doch ihm ging es genauso. Manchmal hat selbst die Körpersprache zwei verschiedene Bedeutungen. Als er sich auf sie legte, klammerte sie sich an die Bettpfosten. Sie wusste, dass er in ihrem Stöhnen Entzücken hörte. Warum wollten die Männer sie so sehr haben? Warum wollten sie diese Dinge mit ihr tun?
Er küsste ihre Brüste und sagte, er würde sie mit sich zurück nach Kanada nehmen. Plötzlich schien das die Lösung zu sein. Sie wollte weg, sie musste weg. Swainshead und Sam nahmen ihr die Luft.
Also wehrte sie sich nicht mehr. Während seine Hände ihren reglosen Körper streichelten, erzählte Bernard vom unendlichen Himmel über der Prärie und von Seen, so grenzenlos wie Ozeane. Ja, er werde sie mit sich nehmen, sagte er, er habe sie immer gewollt. Hastig streckte er sich auf ihr aus und drang in sie ein. Voller Abscheu und Selbstekel biss sie sich auf die Zunge, und als sie kleine, erstickte Schreie von sich gab, die wie Freudenschreie geklungen haben müssen, schaute er in ihre Augen und lächelte.
Danach beim Ankleiden hatte Katie beschämt versucht, ihre Nacktheit vor seinen Blicken zu verbergen. Er hatte gelacht und gesagt, dass er ihre Zurückhaltung sehr anziehend finde. Sie hatte erwidert, dass er besser gehen solle, weil Sam gleich zurück sein werde, und er erinnerte sie noch einmal an Kanada.
»Ich werde dich nachkommen lassen, sobald ich wieder zurück bin«, versprach er. »Ich werde eine Wohnung für uns finden und dich herholen. Anne ist auch dort. Sie wollte weg von hier, genau wie du. Jetzt ist sie glücklich.«
»Ja«, hatte Katie gesagt, dabei war es ihr in dem Moment nur darum gegangen, ihn loszuwerden. »Ich werde mit dir kommen.« Dann hatte er sie geküsst und das Zimmer verlassen.
Nach diesem Morgen hatten sie kaum noch miteinander gesprochen, hauptsächlich weil Sam in der Nähe gewesen war oder Katie es irgendwie fertiggebracht hatte, Bernie aus dem Weg zu gehen. Doch wann immer niemand zusah, schenkte er ihr bedeutungsvolle Blicke. Sie glaubte ihm. Er würde sie zu sich holen.
Jetzt nicht mehr. Alles war umsonst gewesen. Für sie gab es keinen Ausweg mehr, nur noch die Schuld. »Was man sät, wird man ernten«, hatte ihre Großmutter immer gesagt. Genau wie damals, als sie sich zum Klang der fernen Musik bewegt hatte, war sie auch mit Bernie schamlos gewesen. Dass sie es nicht genossen hatte, machte keinen Unterschied. Jetzt herrschte das Chaos, Bernie war tot, und die Polizei schnüffelte in jedem Winkel. Nun erntete sie, was sie gesät hatte.
Als Banks und Hatchley ihn an diesem Abend aufsuchten, saß Stephen Collier in seinem geräumigen Wohnzimmer und las einen dicken, in Leder gebundenen Bericht. Die Glastüren zur Terrasse und zum Garten standen offen, draußen lief vor dem Hintergrund des mit einer Mauer befestigten Berghanges der Springbrunnen. Ein kurzer, kräftiger Schauer hatte die Landschaft reingewaschen, im weichen Abendschimmer leuchtete das Gras saftig und
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