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04 Verhaengnisvolles Schweigen

Titel: 04 Verhaengnisvolles Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Mensch?«
      »Er war ein ziemlich beeindruckender Mann. Vielseitig. In der Gegend besaß er eine Menge Macht und Einfluss. Ein Teil davon ist auf seine Söhne übergegangen, wie du schon bemerkt hast. Du weißt, wie ich zu Privilegien und so was stehe, aber Walter musste man respektieren. Er hat seine Position nie missbraucht. Er war stolz, besonders auf seine Familie und ihre Errungenschaften, aber er blieb dabei freundlich und rücksichtsvoll, ohne herablassend zu sein. Außerdem war er regelmäßiger Kirchgänger, ein religiöser Mann, aber er mochte auch die Frauen und trank die meisten aus seinem Dorf unter den Tisch. Frag mich nicht, wie er das unter einen Hut gekriegt hat. Es ist selten, dass ein Farmer aus den Dales, besonders einer aus einer alteingesessenen Familie wie den Colliers, seinen Besitz verkauft. Doch Walter hatte Weitblick. Er wusste, wie sich die Zeiten änderten. Deshalb hat er seine Interessen in die Nahrungsmittelindustrie verlagert und bei seinen Söhnen eine gute Bildung statt starker Muskeln gefördert.«
      »Wie war er als Vater?«
      »Ich könnte mir vorstellen, dass er was von einem Tyrannen hatte«, antwortete Gristhorpe. »Doch das ist nur eine Vermutung. Er war es gewohnt, dass man ihm gehorchte und er seinen Willen bekam. Seinen Söhnen hat er wahrscheinlich mehr als einmal den Hintern versohlt.«
      Banks drehte seine Hand um, streckte sie aus und spürte die ersten, zögerlichen Regentropfen. »Als Anne Ralston verschwand«, fragte er, »gab es da überhaupt keine Anhaltspunkte, was mit ihr passiert sein könnte?«
      »Nichts. Ein paar Kleidungsstücke waren weg, das war alles.«
      »Was war mit Geld, Bankkonten?«
      »Sie hatte keins. Sie bekam alle zwei Wochen eine Lohntüte von der Firma der Colliers. Keine Ahnung, was sie mit dem Geld gemacht hat. Vielleicht hat sie es unter der Matratze versteckt.«
      »Aber in ihrem Haus hast du nichts gefunden?«
      »Keinen Penny.«
      »Also könnte sie ein paar Sachen gepackt haben, etwas Geld, und einfach abgehauen sein?«
      »Genau. Wir haben nie rausgefunden, was mit ihr passiert ist, bis heute.« Gristhorpe stand auf und sah finster den grauen Himmel an. Über dem Talhang kreiste eine Schar Krähen. »Gehen wir lieber rein.«
      Als sie zur Seitentür herumgingen, sahen sie Sandra und die Kinder mit den Jacken über den Köpfen die Auffahrt herauflaufen. Banks winkte ihnen zu.
      »Es würde sehr aufschlussreich sein, sich mit Anne Ralston zu unterhalten, oder?«, sagte er.
      Gristhorpe sah ihn an und kniff die Augen zusammen. »Das würde es. Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Abteilung die Kosten rechtfertigen kann.«
      »Aber ...«
      »Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte Gristhorpe. Dann kamen Sandra, Brian und Tracy ins Haus gerannt.
     
     

* 7
     
    Nachdem Banks gegangen war, putzte Katie wie benommen weiter. Sie stand so neben sich, dass sie fast vergaß, den Braten rechtzeitig in den Ofen zu stellen. Jeden Sonntag um zwei Uhr servierte das Greenock Gasthaus ein traditionelles Yorkshire-Dinner, zu dem nicht nur die Hausgäste willkommen waren. Es war Sams Idee gewesen. Gott sei Dank war er wie jeden Sonntag zur Mittagszeit im Pub, dachte Katie. Er wird mit den großartigen Colliers zusammenhocken.
      Vielleicht musste Sam nicht unbedingt wissen, was sie auf Drängen des Polizisten erzählt hatte. Doch der Inspector würde ganz sicher nicht vergessen, Sam zu befragen, und dann erfuhr er es doch. Und hätte gar keine andere Wahl, als ihr vorzuwerfen, sie habe ihn betrogen.
      Plötzlich bemerkte sie voller Schrecken, dass sie sich in Zimmer fünf befand, wo am zweiten Morgen von Bernies Aufenthalt das Gespräch stattgefunden hatte. Aber es waren nicht seine Worte, an die sie jetzt dachte. Stattdessen überwältigte sie die Flut der Bilder, bis sie sich schließlich zwang, sich erneut zu vergegenwärtigen, was damals vorgefallen war. Vielleicht war es ja gar nicht so eine Sünde gewesen. Doch. Selbstverständlich war es eine Sünde, sagte sie sich streng, und da sie eine verheiratete Frau war, sogar eine doppelte Sünde. Dennoch war es nun mal passiert. Zum ersten Mal, seit sie verheiratet war.
      Wie gewöhnlich hatte sie an diesem Morgen die Zimmer gesäubert. Bernie war zurückgekommen, um seine Wanderstiefel anzuziehen. »Der Himmel hat sich aufgeheitert«, sagte er, und das wollte er für eine anständige Wanderung nutzen. Sie unterhielten sich so lange, wie sie

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