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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sondern nur auf mich. Es war doch auch bei Euch von Mißtrauen keine Rede!“
    „Ja, zuerst! Aber diese Schwatzhaftigkeit kam mir verdächtig vor. Mir scheint, er hat Mrs. Burton ausgefragt und wird nun das, was er hörte, da unten bei den Kiowas und Komantschen erzählen!“
    „Das fürchte ich nicht. Übrigens ist er noch gar nicht unten bei ihnen.“
    „Well! Ich passe auf! Mir soll nichts entgehen! Ich lasse mich nicht betrügen!“
    Damit war die Sache für jetzt abgemacht. Als ich das Herzle nach dem Essen ein wenig ironisch fragte, ob es ihr gelungen sei, hinter das Geheimnis des Indianers zu kommen, antwortete sie:
    „Leider noch nicht. Er ist verschwiegen.“
    „Aber du hast doch beinahe sechs Stunden lang nur allein mit ihm gesprochen! Nennst du das Schweigen oder verschwiegen sein?“
    „Man kann sprechen, ohne zu plaudern. Wir haben nicht über sein eigenes, kleines Leid, sondern über das große, erhabene Leid der ganzen roten Rasse gesprochen. Er denkt sehr richtig, und er fühlt tief. Ich habe ihn liebgewonnen, sehr lieb!“
    „Oho!“
    „Ja, wirklich! Es ist mir da freilich etwas begegnet, was ich dir gestehen muß.“
    „Schon wieder ein Geständnis?“
    „Leider, leider! Ich begreife es nicht! Wenn er so lieb und warm für seine Nation sprach, wenn er so tief beklagte, daß wir Weißen die Roten für minderwertig halten, da wurden seine schönen, ehrlichen Augen feucht, und es stieg in mir auf, als müsse ich ihn auf Stirn und Wange küssen und ihm die Tränen mit meinen Händen trocknen. Das muß ich dir sagen. Er ist ein Mann. Ich wiederhole: Ich verstehe es nicht!“
    „Wenn nur ich es verstehe, liebes Kind“, antwortete ich.
    „Und verstehst du es?“
    „Ja.“
    „Und erteilst du mir Absolution?“
    „Sehr gern. Sprechen wir morgen weiter hierüber. Hast du vielleicht erfahren, wo das Kiowa-Dorf jetzt liegt, in dem ich damals zu Tode gemartert werden sollte?“
    „Ja. Es lag an der Salzgabel des Red-River. Jetzt aber liegt es weit im Westen davon, auch an einem kleinen Flüßchen, dessen Name mir aber entfallen ist. Er hat dich sofort erkannt, als er dich heut erblickte.“
    „Ah? So sah er mich also nicht zum ersten Mal?“
    „Nein. Er kennt dich von damals her. Er war im Dorf, als man dich brachte. Er stand dabei, als du mit Händen und Füßen an die Pfähle gebunden warst. Er hat mir alles erzählt, so ausführlich, wie ich es nicht einmal von dir erfahren habe.“
    „Sprach er auch vom alten Sus-Homascha, der mich so gern retten wollte?“
    „Ja. Sus-Homascha hatte zwei Töchter. Die eine war die Frau des jungen Häuptling Pida. Ihre Ehe war außerordentlich glücklich und ist es auch noch heute. Sie war von Santer überfallen und mit einem Schlag auf den Kopf betäubt worden. Man hielt sie für tot. Man holte dich. Man behauptet noch heut, daß du ihr das Leben gerettet habest. Darum ist Pida noch heut in unerschütterlicher Dankbarkeit dein Freund. Denke dir, seine Frau ist mit hier?“
    „Ja. Als man erfuhr, daß auch Old Shatterhand mit nach dem Mount Winnetou geladen sei, ließ sie sich nicht halten. Sie wollte ihren Retter wiedersehen. Es scheint überhaupt mit den Frauen der Kiowas eine ähnliche Bewandtnis zu haben wie mit den Squaws der Sioux. Auch sie haben sich zusammengetan; auch sie wollen mitberaten. Sie sind nicht in den Dörfern zurückgeblieben, aber wo sie sich befinden, das konnte ich noch nicht erfahren.“
    „Du vergißt Dein eigenes Thema. Du sprachst von den zwei Töchtern des alten Sus-Homascha. Die eine war Pidas Frau. Die andere – – –“
    Das fiel dem Herzle schnell ein:
    „Ja, die andere, die hieß Kakho-Oto. Sie wollte und sie sollte deine Squaw werden, damit du gerettet würdest; du aber wiesest sie ab. Sie war trotzdem so edel, dir zur Flucht zu verhelfen. Sie lebt noch. Sie ist ledig geblieben. Nie hat ein Mann sie berühren dürfen, und sie ist es, die alle die vielen Jahre, welche zwischen damals und jetzt liegen, dazu verwendet hat, dein und Winnetous Andenken auch bei den Kiowas zu heiligen und eure Ideale der Edelmenschlichkeit, der Friedfertigkeit und der Nächstenliebe in ihnen wachsen und groß werden zu lassen. Sie wünscht nichts sehnlicher, als nach dem Mount Winnetou kommen und dich dort sehen zu können. Du aber sollst sie nicht wiedererkennen. Sie ist inzwischen alt geworden und wohl auch häßlich dazu. Sie hofft, daß du sie sehen kannst, ohne zu wissen, wer sie ist. Sie hat uns den Kiowa entgegengeschickt, um

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