04 - Winnetou IV
zehnmal, hundertmal und tausendmal! Das ist nun vorbei, vollständig vorbei! Es kann mir nicht einfallen, für sie auch nur ein kleines Streichholzflämmchen oder in einen Kaffeelöffel voll Wasser zu springen. Sie ist es nicht wert, nicht wert! So einen Mann zu haben, so einen! Und ihm dennoch untreu zu werden! Und zwar mit was für einem, mit was für einem!“
„Wer ist denn dieser eine? Oder vielmehr dieser andere?“
„Erratet Ihr das nicht?“
„Nein.“
„Ja, begreiflich! Es ist wirklich nicht zu erraten. Wenn nur wenigstens ich es wäre! Oder irgendein anderer Weißer! Aber Euch um einer Rothaut willen untreu zu werden, das ist sogar noch stärker als stark! Das ist einfach niederträchtig!“
„Rothaut sagt Ihr? Der ‚Junge Adler‘ liegt noch dort an seiner Stelle; der Kiowa aber ist nicht mehr da; er ist fort. Ihr meint also den?“
„Ja, den! Eure Frau ist nämlich auch fort!“
„Ist das alles?“
„Nein, sondern es kommt noch viel, sehr viel dazu. Soll ich es Euch erzählen?“
„Ja, bitte!“
„Das kam so: Ich war wütend auf den Kerl, weil er gestern am Nachmittag so lange und so unausgesetzt mit ihr gesprochen hatte. Ich habe Euch schon gesagt, daß dies meinen Verdacht erregte. Ich nahm an, daß er Eure Frau aushorchen wollte, um uns alle dann an die Indianer da unten zu verraten. Ich beschloß, ihn zu beobachten, und ich tat es. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Am frühen Morgen erwachte er sehr zeitig. Eure Frau trat aus ihrem Zelt. Sie pflegt des Morgens und des Abends zu beten; das weiß ich nun. Sie tut das nie im Zelt, sondern stets unter freiem Himmel. Sie geht dabei zur Seite, damit man es nicht sehe. So auch heute. Als sie sich entfernt hatte, stand der Kiowa auf und folgte ihr. Das kam mir verdächtig vor. Ich ließ eine Zeit vergehen, und als weder sie noch er zurückkehrte, schlich ich mich ihnen nach. Was denkt Ihr, was ich sah?“
„Nun, was?“
„Sie saßen auf einem Stein!“
„Weiter nichts?“
„Nebeneinander!“
Er sah mich verwundert an und fuhr in erhöhtem Ton fort:
„In inniger Umarmung!“
„Weiter nichts?“
Da rief er mich an:
„Sie schnäbelten miteinander!“
„Weiter nichts?“
„Der Rote gab Eurem Herzle einen Kuß!“ schrie er mir zu.
„Weiter nichts?“
„Und Euer Herzle küßte ihn wieder!“ brüllte er mir in das Gesicht.
„Weiter nichts? Weiter gar nichts?“ fragte ich sehr freundlich und ruhig.
Da wich er von mir zurück, schlug die Hände zusammen und jammerte:
„Hab mir's gedacht; hab mir's gedacht! Nun ist das Unglück da! Wenn auch in anderer Gestalt, als ich mir dachte! Er fällt nicht um, und er schlägt nicht zu; aber er ist verrückt geworden vor Schreck! Er ist übergeschnappt, vollständig übergeschnappt! Er sagt weiter nichts als weiter, immer weiter!“
„Oh, ich kann auch noch anderes sagen“, lachte ich. „Sitzen sie denn noch dort – auf dem Stein?“
„Ich hoffe es!“
„Was? Ihr hofft es?“
„Ja! Ich hoffe es sogar sehr! Um sie überführen zu können! Um sie mit Euch zu überraschen!“
„Das wollen wir tun!“
„Wirklich?“
„Ja, und zwar sofort!“
„So kommt! Ich führe Euch!“
„Wartet nur noch einen einzigen Augenblick! Ich muß Euch nämlich vorher sagen, daß ich mit diesem Kiowa nicht so streng verfahren werde, wie Ihr wahrscheinlich erwartet. Wir haben in den letzten Tagen verschiedene Male über die Kiowa gesprochen. Ihr wißt, was ich bei ihnen erlebte, als ich zum letzten Mal dort war?“
„Ja. Jedermann weiß es. Und Eure Frau hat es mir unterwegs noch einmal ganz ausführlich erzählt. Daß Ihr zu Tode geschunden werden solltet und nur durch die Tochter eines berühmten Kriegers, welcher ‚Eine Feder‘ hieß, gerettet wurdet.“
„Richtig! Diese Tochter hieß Kakho-Oto. Ihr habe ich mein Leben zu verdanken.“
„Wollt Ihr um ihretwillen etwa diesem Kiowa verzeihen, der Euch um Eure Frau betrügt?“
„Ja.“
„Hört! Das geht nicht! Das wäre Schwäche, unverzeihliche Schwäche!“
„Das bestreite ich. Nun kommt!“
„So wollt Ihr wirklich nichts tun, wirklich gar nichts?“
„Gar nichts!“
„Auch Eurer Frau nichts?“
„Nein.“
Da fuhr er auf:
„Herr –! Mr. Burton! Ich muß Euch sagen, daß – daß – daß ich eine Bitte, eine sehr, sehr große Bitte habe.“
„Welche?“
„Erlaubt wenigstens mir, diesen roten Halunken bei der Parabel zu nehmen und ihm ein Dutzend Ohrfeigen herunter zu hauen!“
„Würde
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