04 - Wohin die Zeit uns treibt
gesungen und getanzt und aus dem Koffer gelebt?"
„Weißt du, für einen Doktor neigst du gefährlich dazu, das Welt-liehe zu glorifizieren. Es ist wie im Zirkus. Vorn siehst du nur den Flitter und die Lichter. Hinter der Bühne versinkst du in Elefantendreck."
„Du bist also mit ihnen gereist." Gillian lächelte.
„Hattest du eine Spezialität?"
„Der Himmel bewahre mich vor Flugreisen mit geschwätzigen Frauen." Er schloss heftig seinen Gurt.
Gillian klickte ihren eigenen Gurt zu. „Als Kind wollte ich Sängerin werden. Ich habe mich in Gedanken immer im Scheinwerferlicht gesehen." Mit einem kleinen Aufseufzen schob sie das Magazin zurück in die Sitztasche. „Bevor ich es selbst gemerkt habe, war ich die Laborassistentin meines Vaters."
Charlies Haus in Chicago lag hinter einer hohen Steinmauer versteckt und war ausgerüstet mit einem äußerst komplizierten Sicherheitssystem.
Auf der Fahrt vom Flughafen hierher, mit Umwegen, um mögliche Schatten zu entdecken, hatte Terence nicht gesprochen. Gillian hielt sich jetzt mit Fragen zurück. Es war die Trauer um einen Freund, die ihn schweigen ließ, und sie wusste, er musste damit auf seine eigene Art umgehen.
Die Bäume wurden fahl, ein Zeichen des Winters, doch sie hatten noch herbstlich eigensinnige Andeutungen von Farbe. Wind riss an den Blättern und stöhnte durch die Äste. Die Ulmen beschatten im Sommer die Zufahrt, dachte sie, und lassen das alte Ziegelhaus bestimmt noch imposanter und bodenständiger aussehen. Das Anwesen insgesamt machte keinen verlassenen Eindruck, es sah eher so aus, als warte es darauf, wieder belebt zu werden.
Gillian dachte an den Mann, der ihr zugehört hatte, der ihr einen Brandy und einen Hoffnungsschimmer gegeben hatte.
„Mit diesem Haus war er ganz verrückt", murmelte Terence. Er stellte den Motor aus, blickte aber nur auf die zwei Stockwerke alter Ziegel und weißer Balken. „Immer wenn er weg war, hat er über seine Rückkehr gesprochen. Ich glaube, er wollte hier sterben." Er blieb noch einen Moment sitzen, dann stieß er die Tür auf. „Gehen wir."
Er hatte Schlüssel, die Charlie ihm vor einigen Jahren in die Hand gegeben hatte.
„Benutze sie eines Tages", hatte er gesagt. „Jeder muss ein Zuhause haben."
Aber er hatte sie nicht benutzt, bis jetzt. Der Schlüssel glitt ins Schloss und drehte sich mit einem leisen Klicken. Terence ging vor Gillian die Treppe hoch. Der Teppich war neu, seit er das letzte Mal hier gewesen war, aber die Tapete war dieselbe.
Ebenso der Raum oben, den Charlie als Büro benutzt hatte. Ohne zu zögern, ging Terence an den Schreibtisch und drückte auf einen Knopf unter der zweiten Schublade. Eine unsichtbare Tür in der Vertäfelung öffnete sich.
„Noch ein Geheimgang?", fragte Gillian. Ihr Mut verblasste schnell.
„Arbeitszimmer", sagte Terence, während er hindurchtrat.
Oben an der gegenüberliegenden Wand hingen Uhren, alle in Betrieb, die die Zeit in jeder Zeitzone um den Globus herum angaben. Darunter stand eine leistungsfähige Computeranlage und gegenüber eine Funkausrüstung, mit der man mit jedem lokalen Discjockey bis hin zum Kreml Kontakt aufnehmen konnte. „Setz dich, Doc. Das kann eine Weile dauern."
Gillian zuckte nur ein wenig zusammen, als die Täfelung sich hinter ihnen wieder verschloss. „Was hast du vor?"
„Du willst das ISS nicht einschalten, aber ich will in ihren Computer hineinsehen."
„Meinst du, sie wissen, wohin Flynn gebracht worden ist?"
„Vielleicht, vielleicht nicht." Er schaltete den Terminal ein und setzte sich. „Aber bestimmt wissen sie, wo Hammers neues Hauptquartier ist." Er drückte einige Tasten. Der Rechner fragte nach seinem Code. Terence gab „Charlie" ein. „Okay, fangen wir an. Mal sehen, was dieses Baby uns liefern kann."
Er arbeitete still. Es war nur das Klappern der Tasten und das Piepen des Rechners zu hören.
Gillian sah ihm zu, wie er es über die erste Sicherheitsstufe schaffte und in die nächste stieß.
Geduldig, stellte Gillian fest, mehr als überrascht, diese Eigenschaft bei ihm zu finden, während er einen Code knackte und langsam weiterdrang. Sie selbst erkannte allmählich Rhythmus in den Nummern und Symbolen, die auf dem Monitor auftauchten und aufblinkend auf Terences Befehl wieder verschwanden. Sie erahnte das System.
„So verdammt nah", stieß Terence aus, als er eine weitere Reihen-folge versuchte. „Das Problem ist, es gibt genügend Variablen, die mich hier eine Woche festhalten
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