040 - Die Faust Gottes
anfangs gehört hatte, war verstummt. Die Schritte, das Zischen und Scharren und der Widerhall dumpfer Schläge gegen Holz oder Stein oder einen menschlichen Körper hatten sich längst in der Ferne verloren.
... ER erquicket meine Seele...
Nur undeutlich kam es Pain zu Bewusstsein, was und dass er überhaupt betete - der Schreck zerrte noch an jeder Faser seiner Muskulatur. Ganz still stand er, schnupperte nach Kälte und Schwefel, lauschte und spürte nach der Aura, die er aus so vielen Kämpfen kannte - nach der kühlen, spröden und manchmal Übelkeit erregenden Ausdünstung der Hölle.
... und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn DU bist bei mir... Da war nichts. Keine fremden Atemzüge, keine ungewöhnliche Kälte - abgesehen von der, die Mauern und Boden abstrahlten - kein Schwefelgeruch, kein Stöhnen. Ohne Kreuz und Hammer sinken zu lassen, setzte sich Reverend Pain in Bewegung. Und zwar in die Richtung, in der er Therese zuletzt gesehen hatte.
Sei ihr gnädig, o HERR, steh Deiner Dienerin bei, reiße sie aus dem Rachen der Hölle… Nach etwa fünfzehn Schritten trat er in die Scherben der Öllampe. Es knirschte und klirrte. Wieder verharrte er und lauschte.
Da - ein Scharren! Wie aus einem anderen Raum! Der greise Reverend schloss die Augen und konzentrierte sich auf das Geräusch. Und da - ein Stöhnen! Leise und röchelnd, aber ganz nah! Er steckte den Hammer in den Brustgurt. Das Kreuz in der linken Faust vor seinem Herzen, die rechte Handfläche vor sich ausgestreckt wagte er den nächsten Schritt. Einen großen Schritt, um nicht ein zweites Mal in die Scherben zu treten oder gar im Öl auszurutschen.
Heilige Jungfrau, erhöre mein Gebet! Sie ist so jung, so tapfer und so voller Liebe zu dir. Sie ist der Vision gefolgt, die der HERR ihr schenkte. Sie verließ die sichere Zuflucht unter der Erde, allein um dir zu dienen…
Seine Handfläche stieß gegen raues Metall - eine Tür.
Da war es wieder, das Röcheln und Scharren, ganz deutlich - es kam aus dem Raum hinter der Tür. Reverend Pain legte das Ohr ans Türblatt. Es fühlte sich kalt an und roch nach Rost. Und dahinter schmatzte, röchelte und keuchte es.
»Verfluchte Nosferatu!« Pain packte die Türklinke und drückte sie herunter. Abgeschlossen. Er brüllte jetzt. »Im Namen des dreieinigen und allmächtigen GOTTES! Öffne dich!«
Er riss den Hammer aus dem Gurt. Wie von Sinnen begann er auf die Tür einzuschlagen.
»Verfluchte Höllenbrut! Verfluchte Nosferatu…« In der Dunkelheit konnte er die Tür nicht erkennen -manchmal traf sein Hammer das Türblatt, manchmal die Wand daneben. Geröll krachte zu Boden, Gesteinssplitter spritzten ihm ins Gesicht.
»Hebe dich von ihr, Satan!«
Er hämmerte, schrie, rüttelte an der Tür. Manchmal hielt er inne, lauschte schwer atmend, und wenn er dann das Schmatzen aus dem Raum jenseits der Tür hörte, dieses widerliche, gierige Schmatzen und Schlürfen, dann riss die Flamme des Zorns und der Strudel der Verzweiflung ihn erneut mit sich fort und er schrie, hämmerte und rüttelte erneut.
Plötzlich erklang das Scharren einer Tür, Schritte und ein Lichtschein. Pain fuhr herum. Die Eingangstür hatte sich geöffnet. Fackeln warfen Schatten menschlicher Gestalten an die Wände, Stimmen riefen. »Pain! Pain! Wo bisse…?«
Im Schein der Fackeln erkannte er in lange Lederklüfte gekleidete Gestalten -langhaarig, vollbärtig. Pool Jagger, der Mann, der sich »Grandlord« nennen ließ, schaukelte vorneweg. »Weg hia, Pain, is gefäaliche Oat…!«
Sieben in Leder und Sacktuch gehüllte Wilde zählte der Reverend. Schmutzige Schneeflocken hingen in ihren Barten und Locken.
»Der Allmächtige selbst schickt euch!« Er trat von der Tür weg. »Schnell, brecht die Tür auf! Schwester Therese… ich weiß nicht, was sie ihr antun…«
Der Grandlord und seine struppigen Begleiter lauschten. Pain stand einen Schritt hinter ihnen - trotzdem konnte er das entsetzliche Schlürfen und Schmatzen hören. »Du weiß nich, wasse ia antun…?«
»Brecht die Tür auf!« Der Reverend warf alle Beherrschung über Bord. »Im Namen des HERRN, brecht die Tür auf!« Die Angst um seine einzige Nonne machte ihn schier wahnsinnig. Jagger und seine Lords hieben mit Keulen, Eisenstangen und Äxten auf die Tür ein. Der Reverend hinter ihnen betete laut.
»… Stricke des Todes hatten mich umfangen, des Totenreichs Schrecken hatte mich getroffen…« Wie von selbst bewegten sich seine
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