040 - Paris, Stadt der Sünde
Nackenzopf geflochten und mit einem Band befestigt. Aus unerfindlichen Gründen waren ihr Haarklammern und Kämme verwehrt, während er sie ansonsten mit jedem erdenklichen Luxus verwöhnte. Sie hatte das schlichteste Kleid aus ihrer reichhaltigen Garderobe gewählt und die derben Stiefel angezogen, die eine barmherzige Seele heimlich unter ihrem Bett versteckt hatte. Nun schob sie den Beutel mit den Münzen in die Tasche, ging zur Tür und verharrte. Der Vertrag lag auf dem Tisch, Feder und Tintenfass daneben. Sie wollte das Blatt zerreißen, doch irgendetwas hinderte sie daran. Einem Impuls folgend griff sie zur Feder, tauchte sie in die Tinte und schrieb Es tut mir leid auf das Blatt. Dann huschte sie in den dämmrigen Flur und eilte zur Dienstbotentreppe.
Es war eine Sache von wenigen Minuten, wie konnte es auch anders sein, dachte Rohan benommen. Er war ein erprobter Fechter, leichtfüßig, blitzschnell und absolut gnadenlos. Sir Christopher Spatts hingegen war träge, fett und verblödet, ohne zu begreifen, dass er dem Tod ins Auge blickte. Er hielt die Aufforderung für eines der abartigen Spiele des Fürsten der Finsternis, der sich über alle Gesetze hinwegzusetzen pflegte. Erst als ihm dämmerte, dass er sterben musste, begann er ernstlich zu kämpfen, und schlug blindlings mit dem Degen um sich, den Rohan ihm zugeworfen hatte.
Es war Mord. Glatter Mord. Als er ihm die Klinge ins Herz stieß, quietschte der Fettwanst wie ein abgestochenes Schwein, und Rohan empfand tiefe Genugtuung.
Sir Christopher brach zusammen, und Rohan machte auf dem Absatz kehrt und schleuderte seinen Degen quer durch den Raum. Der Mann war gerichtet, wie er es vor Jahren bereits verdient hätte.
Rohan trat auf die verschneite Terrasse, hob den Blick in den Nachthimmel und bemühte sich, seinen jagenden Herzschlag zu beruhigen, da diese dunkle mörderische Wut immer noch in ihm brodelte. Sir Christophers Klinge hatte ihn ein paar Mal gestreift, sein Ärmel war blutbefleckt, und aus einer harmlosen Schnittwunde an der Brust sickerte ebenfalls Blut.
Charles trat stumm neben ihn. Irgendwann brach Rohan das Schweigen. „Ist er tot?“
„Mausetot. Die Sekundanten sind zufrieden. Es war ein faires Duell.“
Rohans Lachen klang hohl. „Was war daran bitte schön fair? Ich hätte auch gegen ein Kind antreten können.“
„Du hättest die Sache besser mir überlassen“, sagte Charles. „Ich habe keinerlei Skrupel, einen Menschen zu töten, der nichts anderes verdient hat.“
Rohan sah ihn eindringlich an. „Woher willst du wissen, dass ich Skrupel habe?“
„Francis, ich kenne dich“, erwiderte Charles. „Du verabscheust Tod und Gewalt. Hast du je zuvor einen Menschen getötet?“
„Ich lasse mich auf keine Duelle ein.“
„Und vorher?“
Rohan drehte das Gesicht zur Seite und blickte in die Richtung der Stallungen. „Ich habe bei Culloden gekämpft, Charles“, antwortete er müde. „Was glaubst du denn?
Ich musste zusehen, wie mein Vater und mein Bruder abgeschlachtet wurden. Ich sah, wie tapfere Soldaten mit dem Bajonett aufgespießt wurden, nachdem sie sich bereits ergeben hatten. Ich sah nichts als Tod, Verderben und Blutvergießen um mich herum. Ich weiß, was Menschen einander antun können. Damals habe ich mir geschworen, nie wieder einem Menschen das Leben zu nehmen, und hätte er es noch sehr verdient.“
„Aber du hast deine Meinung geändert“, sagte Charles. „Warum hast du es nicht mich erledigen lassen?“
„Weil du nichts damit zu tun hast.“ Voller Selbsthass wandte er den Blick zum Haus zurück. „Ich möchte, dass du ...“
„Wer ist das?“, fiel Charles ihm ins Wort.
„Wer ist was?“
„Drüben bei den Stallungen schleicht jemand herum. Vielleicht ein Dieb oder ein eifersüchtiges Weib, aber ...“
Rohan sah sie deutlich, obgleich sie sich im Schatten hielt, erkannte ihren Gang, ihre Bewegungen, ihre Gestalt, in einen groben Umhang gehüllt. Er hatte für sie getötet, hatte seinen Schwur gebrochen, hatte alles verraten, woran er noch glauben konnte, und sie verließ ihn.
Kalter Zorn krallte sich um sein Herz, lähmte seinen Verstand. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, er spürte warmes Blut, sein eigenes Blut.
„Geh ins Haus“, bat Charles sanft. „Geh zu Juliette oder Marianne. Ich bringe Miss Harriman wohlbehalten zurück.“
Er hörte ihn nicht. Seine Wut machte ihn blind und taub. „Scher dich zum Teufel, Charles“, stieß er zwischen den Zähnen hervor. „Das
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