040 - Paris, Stadt der Sünde
Wort“, sagte er tonlos. „Du lügst.“
„Aber wieso sollte ich lügen? Miss Harriman bedeutet mir absolut nichts. Und da ich ein gütiger Mann bin, stört es mich nicht im Geringsten, sie irgendwo sonst unterzubringen, wenn sie kein Interesse an unseren Orgien zeigt.“
„Gestern Abend war sie noch Elinor.“
„Tja, heute ist sie wieder Miss Harriman.“
„Und ihre Schwester?“, wollte Charles wissen, der seinen Unmut offenbar nur noch mühsam beherrschte.
Vielleicht hat die leidige Angelegenheit auch ihr Gutes, dachte Rohan überdrüssig.
„Ich denke, ich nehme sie mir doch noch. Miss Harriman gibt entzückende Laute von sich, wenn sie kommt, und es wäre interessant, herauszufinden, ob Miss Lydia das auch tut.“
Er hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, als Charles sich über den Schreibtisch hinweg auf ihn stürzte und mit ihm zu Boden ging.
Das war genau das, was er brauchte. Eine ordentliche Prügelei, in der er brutal zuschlug und geschlagen wurde. Der Zweikampf dauerte nicht lange, untermalt von Flüchen, wie sie nur selten außerhalb von Pferdeställen zu hören waren. Die Gegner waren einander ebenbürtig, und bald lagen sie beide keuchend auf dem Rücken, blutend und übel zugerichtet.
„Kein fairer Kampf“, ächzte Rohan. „Immerhin habe ich mich noch nicht von einem Duell erholt.“
„Du elender Mistkerl“, stieß Reading hervor, dessen Brustkorb sich hob und senkte.
„Wenn du Miss Lydia anfasst, bring ich dich um.“
„Mein lieber Charles, vielleicht hätte ich nichts dagegen einzuwenden“, erklärte er und lachte hohl. „Zum Teufel, wie rührselig.“ Er richtete sich ächzend zum Sitzen auf.
„Es gibt nur eine Lösung, um sie vor mir in Sicherheit zu bringen, Charles. Heirate die Kleine. Wenn du dir Sorgen wegen ihrer Mitgift machst, so frage ich dich, was bedeutet schon Geld angesichts wahrer Liebe? Ich denke, du findest einen anderen Weg, um deine Ziele zu erreichen.“
Charles sah ihn fassungslos an. „Höre ich richtig? Du, ein Befürworter der Ehe? Das ist etwas völlig Neues.“
„Das stimmt so nicht! Zunächst plante ich, Miss Harriman mit Etienne zu verheiraten, der aber findet Gefallen an Miss Lydia. Um dem einen Riegel vorzuschieben, nehme ich sie mir, bevor er ihr einen Antrag macht. Allerdings dürfte das nicht in deinem Sinn sein, hab ich recht?“
Charles sprang auf die Füße mit einer Geschmeidigkeit, um die Rohan ihn beneidete.
„Ich lasse nicht zu, dass du sie anfasst.“
„Das sagtest du bereits. Ich rate dir, tue etwas dagegen.“
Wie ein Berserker stürmte Charles aus der Bibliothek. Mit etwas Glück durchschaute er nicht, dass er manipuliert worden war, bevor er das Château erreichte. Würde er ihm früher auf die Schliche kommen, würde er vielleicht umkehren. Rohan rechnete damit, dass ein Blick in Lydia Harrimans liebreizendes Gesicht und ihre in Tränen schwimmenden blauen Augen genügten, um die letzte Bedenken seines Freundes schmelzen zu lassen.
Die Liebe ist eine heikle Angelegenheit, dachte Rohan müde und griff nach dem Glas, von Herzen froh, dass er über diesen Dingen stand. Gestern Nacht war er geradezu lächerlich sentimental gewesen, aber auch erotische Freuden konnten einen Mann in den Wahnsinn treiben. Amour fou , wie die Franzosen es nannten. Glühende Leidenschaft, die einen Mann verrückt machen konnte.
Glücklicherweise behielt er seinen klaren Verstand und war immun gegen derlei Verblendungen. Elinor Geld anzubieten, um sie loszuwerden, würde nicht leicht sein.
Außerdem war immer noch fraglich, ob sie das Land ohne ihre Schwester verlassen würde. Aber sobald sie Gewissheit hatte, dass Lydia bei Charles in besten Händen war, würde sie Frankreich erleichtert den Rücken kehren, in der Gewissheit, an einem Ort zu leben, wo er sie nicht erreichen konnte.
Die Vernunft würde auch bei ihr siegen, und sie würde ihn zutiefst verabscheuen.
Alles wäre besser, als sich vorzustellen, sie wäre in ihn verliebt. Liebe war das Einzige, was er nicht tolerieren konnte.
Rohan rechnete damit, sich auf Charles verlassen zu können, sobald ihm klar wurde, dass er kein ernsthaftes Interesse an seiner unberührten Angebeteten hatte. In der Zwischenzeit musste er sich von Elinor fernhalten. Amour fou war etwas für jugendliche Heißsporne und Schwachköpfe.
Nichts für ältere, überdrüssige Lebemänner, die wussten, dass wahre Liebe und ewiges Glück nicht existierten, lediglich Auswüchse einer überhitzten Fantasie
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