040 - Paris, Stadt der Sünde
herzloser Schurke, ein Lebemann, ein Wüstling, und er bereute nichts. Er war keiner Frau je treu gewesen, und daran sollte sich nichts ändern. Beinahe glaubte er zu spüren, wie Elinors süße Verstrickungen der Gefühlsseligkeit ihm die Luft zum Atmen nahmen. Wahrscheinlich glaubte sie, verliebt in ihn zu sein. Je früher er dieser Sentimentalität einen Riegel vorschob, desto besser.
Im dämmrigen Flur schlüpfte er in Hemd und Hose. Was erwartete sie von ihm?
Nichts, wenn sie vernünftig war, und bislang hatte Elinor Harriman sich als sachlich und klug erwiesen. Er hatte keinen Grund, sich schuldig zu fühlen, hatte ihr nicht einmal die Jungfräulichkeit genommen. Das hatte vor vielen Jahren der Mann getan, den er kaltblütig erstochen hatte. Der Mord an Sir Christopher Spatts hatte ihm das Privileg gegeben, eine Nacht mit Elinor zu verbringen. Davon wusste sie nichts, und er wollte dafür sorgen, dass sie es nie erfuhr, sonst würde sie vermutlich tiefere Beweggründe darin vermuten, als er bereit war, sich selbst einzugestehen.
Das Blut des Mannes klebte immer noch an ihm. Er roch nach Sex, nach dem Erblühen ihrer Sinnlichkeit und verspürte erneut dieses verräterische Ziehen in den Lenden. Verdammt! Er musste von ihr loskommen. Sie hatte ihn verhext, er aber weigerte sich, je in die Netze der Abhängigkeit von einer Frau zu geraten.
Mit langen Schritten eilte er die dunklen Flure entlang. Elinor sollte in diesem entlegenen Teil des Hauses bleiben, weit weg von den Gästen und den Festlichkeiten, bis er eine Lösung gefunden hatte, was mit ihr geschehen sollte.
Vorerst wollte er sich vom Blut des Fettsacks säubern. Ihre Berührung, ihren Duft wegwaschen und damit die Erinnerung an seine Momente der Schwäche loswerden.
Er durfte nicht vergessen, wer er war und was er darstellte. Francis Rohan, Comte de Giverney, Viscount Rohan, Baron of Glencoe. Der Fürst der Finsternis, der Prinz des Verderbens und der Sünde. Ein durch und durch schlechter Mensch.
In seinem Leben war kein Platz für eine Frau.
Elinor erwachte und war allein. Es war hell, die Sonne war bereits aufgegangen.
Jemand hatte Feuer im Kamin gemacht. Auf dem Waschtisch stand ein Krug mit heißem Wasser. Aber kein Anzeichen von Rohan.
Benommen setzte sie sich auf. Sie war nackt, trug nur Strümpfe und ein Strumpfband. Das andere hatte sie während der Umarmungen im Gewühl der Bettlaken verloren. Schamhaft blickte sie an sich herab und erschrak. Ihr Körper war blutverschmiert. Rohans Blut. Sie hatte ihn nicht einmal gefragt, was geschehen war.
Regungslos saß sie in dem breiten Bett und dachte über die seltsame Wende nach, die ihr Leben genommen hatte. Ihre Sorge galt weniger der Tatsache, dass sie sich in einen Wüstling, einen Lebemann, einen durch und durch verderbten Mann verliebt hatte. Das war bereits vor Wochen geschehen, und sie war nicht wachsam genug gewesen, diese Gefühle im Keim zu ersticken. Nun stand sie in Flammen und hatte keine Ahnung, wie sie die Glut ihrer Liebe löschen sollte.
Sie hatte erkannt, warum alle Welt ihn verehrte und begehrte. Vergangene Nacht hatte sie durch ihn eine neue Welt ekstatischer Wunder entdeckt. Wenn er jeder Frau solche Wonnen schenkte, war es nicht verwunderlich, dass alle den Fürsten der Finsternis anhimmelten und ihm zu Füßen lagen.
Vermutlich hatte er Hunderte Frauen beglückt. Und nun hatte er auch sie besessen, mit Leib und Seele. Und sie fragte sich bang, ob er sie noch begehrte. Oder hatte sie ihren Zweck erfüllt wie so viele vor ihr? Er hatte die Neuheit ausgekostet, und es gab keinen Grund mehr für ihn, sie noch zu begehren. Nicht der Mann, der ständig auf der Suche nach neuen erregenden Reizen war.
Elinor begann zögernd, sich zu waschen. Eigentlich wollte sie alles von ihm bewahren. Sein Blut, seine Säfte, seine Berührungen, seinen Schweiß. Wie absurd, dachte sie und bemühte sich, ihren Verstand wiederzufinden, den sie irgendwann in den Verzückungen der Nacht verloren hatte. Sie beendete ihre Morgentoilette und zog das frische Unterhemd an, das für sie bereitgelegt worden war.
Es gab keinerlei Anzeichen, dass Rohan die Nacht hier verbracht hatte, nur das zerwühlte Bett und die Flecken auf dem Laken. Offenbar hatte Jeanne-Louise ihr auch ein neues Kleid gebracht, das vorne geschnürt, ohne Hilfe anzuziehen war, wobei Elinor beim Ankleiden jeder Muskel schmerzte, auch an Stellen, wo sie niemals Muskeln vermutet hätte. Sie lächelte wehmütig.
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