0400 - Ich und die grauen Hyänen
voll. Gestrichen voll, verstanden?«
»Und was verlangst du von mir? Soll ich dir sagen, daß du ein guter Mann bist und ein guter Vater? Daß du nur an deine Familie gedacht hast, bei allem, was du tust? Soll ich jeden Morgen ein Loblied auf dich singen?«
»Das kannst du dir sparen«, gab der Alte zurück. »Das verlangt kein Mensch von dir. Aber eins werde ich verlangen. Du wirst ab sofort dein Lotterleben aufgeben und dich um die Firma kümmern. Ich denke nicht daran, dein Faulenzerleben auch noch zu finanzieren. Du wirst nicht einen Cent mehr von mir bekommen, wenn du nicht mit der Arbeit anfängst. Von meinem Geld wirst du auch nicht einen Cent bekommen.«
»Zahl mir doch das Erbe meiner Mutter aus«, sagte der junge Mann ungerührt und in einem Ton, der erkennen ließ, daß sich solche Szenen zwischen ihnen schon öfter abgespielt hatten. »Davon kann ich bequem leben und mir selbst eine Existenz gründen.«
»Zum Glück kommst du an das Geld nicht heran. Das wäre auch schon längst vertan. Eigene Existenz! Wenn ich das schon höre. Die biete ich dir doch bei mir. Du brauchst dich bloß einzusetzen…«
»… und dann immer schön nach deiner Pfeife tanzen. Das willst du doch. Und deswegen komme ich nicht in dein Geschäft. Und außerdem habe ich das auch nicht nötig. Vergiß nicht, daß ich von der Rente von Mutters Vermögen lebe. Und mit dem Geld kann ich machen, was ich will.«
Der Alte beherrschte sich noch immer. Er, der sonst jeden Widerspruch gebrochen hätte, wußte nie so recht, wie er mit seinem Sohn zu reden hatte. Die Frechheit und Unverfrorenheit überstieg sein Vorstellungsvermögen, so daß ihm jede Erwiderung fehlte.
»Du überschätzt das Vermögen deiner verstorbenen Mutter«, sagte er leise. Er blickte vor sich auf den Teller. »Wenn du mal sehr viel Zeit hast, kannst du dich mit dem Vermögensverwalter unterhalten. Dann wirst du wissen, woher die Wechsel tatsächlich kommen. Aber das will ich dir nicht Vorhalten. Ich habe mir die Sache lange überlegt. Und ich bin zu dem Entschluß gekommen, daß es so nicht weitergeht. Ich mache dir den Vorschlag, in die Firma einzutreten. Du wirst selbständig arbeiten können. Ich werde dir ein Ressort übertragen, und dafür wirst du verantwortlich sein. Wenn du es nicht tust, wirst du die Konsequenzen zu tragen haben. Du wirst dann ab sofort nicht einen Cent mehr von mir zu sehen bekommen.«
»Ich kann von der Rente auch…«
»Red nicht von der Rente!« herrschte der Alte den jungen Mann an. »Ich habe dir meinen Vorschlag gemacht. Überleg ihn dir, aber überlege gut. Ich lasse dir Zeit bis nach dem Frühstück. Dann kannst du mir sagen, wie du dich entschieden hast. Wenn dir der Gedanke nicht gefällt, dann wirst du noch heute deinen Koffer packen.«
Bevor der junge Van Doren antworten konnte, klopfte es an die Tür. Sofort danach trat ein Dienstmädchen, eine adrette Negerin, ein. Sie hatte ein silbernes Tablett in der Hand.
»Post, Sir«, sagte sie und knickste. »Bring mir meine Herztropfen, Bessy«, verlangte Van Doren. »Ich habe sie vergessen.«
Er nahm die beiden Briefe von dem Tablett, setzte sich noch einmal auf seinen Platz und schlitzte den großen braunen Umschlag auf.
Er nahm den Inhalt heraus und blickte verwundert auf das große Stück Papier. Auf den Bogen waren Wörter aufgeklebt, die aus Zeitschriften ausgeschnitten waren.
Van Doren las die gestückelte Nachricht, und bei jedem weiteren Wort nahm sein Gesicht eine dunklere Färbung an.
Er schnaubte vor verhaltener Wut. Schließlich platzte er heraus:
»Diese Unverschämtheit! Diese Frechheit! Aber die Kerle haben sich verrechnet!«
Er sprang auf, und mit einer wütenden Gebärde warf er den Bogen und den braunen Umschlag in das offene Kaminfeuer.
Dann drehte sich Van Doren zu seinem Sohn um.
»Siehst du, deswegen möchte ich dich auch gern im Geschäft haben. Ich werde älter und kann nicht alles mehr allein machen. Und ich will mich nicht mit fremden Leuten umgeben, solange ich noch am Leben bin.«
Der junge Van Doren zeigte so etwas wie Interesse.
»Und worüber hast du dich gerade so aufgeregt?«
»Das war ein Erpresserbrief. Ein ganz gemeiner Erpresserbrief. Man verlangt von mir eine sofortige Zahlung von 5000 Dollar und außerdem einen monatlichen Schutzbetrag.«
»Schutzbetrag wofür?«
»Damit man mein Geschäft in Ruhe läßt. Dafür! Es sind Gangster, die versprechen, daß man den Laden vor anderen Gangstern beschützt, und dafür verlangen sie
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