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0403 - Das Auge des Jägers

0403 - Das Auge des Jägers

Titel: 0403 - Das Auge des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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quicklebendig aussahen, gehörte nicht dazu.
    Das blaue Einhorn senkte den Kopf. Merlin wollte erst zurückweichen, als er die Bewegung sah, aber das Tier griff nicht an, wie er erst befürchtet hatte. Warum sollte es schließlich auch? Er war doch kein Feind. Er war der Geliebte der Einhornreiterin.
    Die Spitze des in sich leicht gedrehten Horns berührte seine Brust, drückte aber nicht zu. Es war vielmehr eine Art Kontaktaufnahme. Einer Eingebung folgend, erfaßte Merlin das Horn mit beiden Händen, senkte dann den Kopf und berührte mit seiner Stirn die Hornspitze.
    Da sprach das Einhorn mit seinen Gedanken zu Merlin und machte ihm klar, daß es mehr war als nur ein Tier.
    Du glaubtest, ich sei tot und hast um mich getrauert. Dafür danke ich dir. Doch ich war nicht tot. Auf diese Art kann ich nicht sterben. Ich war nur sehr erschöpft und musste neue Kraft aufnehmen. Die Wunderwelt gab sie mir, als ich auf ihr lag.
    »Ich bin froh, daß du lebst«, sagte Merlin leise. »Aber ich fürchte, wir werden deine Herrin nie wiedersehen.«
    Das wäre schlimm, denn mit ihrem Tod würde auch der Grund für mein Dasein erlöschen, teilte das Einhorn ihm mit.
    Merlin horchte auf. »Das bedeutet also: wenn du stirbst, weiß ich, daß auch Morgana tot ist?«
    Wenn wir den letzten Weg gehen, gehen wir ihn gemeinsam, auch wenn uns Welten trennen. Ich hoffe, daß das nicht so bald der Fall ist, denn es warten viele Aufgaben auf uns. Wir sind schon seit unendlicher Zeit, aber wir müssen noch unendliche Zeit sein, um alles zu erfüllen, was unserer harrt.
    »Was sind das für Aufgaben?«
    Doch das Einhorn ging nicht auf Merlins Frage ein. Ich kann etwas von dem, was Morgana kann, und sie kann etwas von dem, was ich kann. Wir sind verbundene Partner. Wir teilen Glück und Leid, und wir teilen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Ich nahm dich mit in ein Stück Zukunft, als die schwarze Wolke uns zum zweiten Mal angriff. So überstanden wir das Inferno.
    Merlin nickte. Jetzt wurde ihm klar, weshalb sie noch lebten. Es lag nicht nur daran, daß das Einhorn eine Flugreise gemacht hatte. Sie wären in der Relativgegenwart existent geblieben, und die Meeghs hätten sie abgeschossen. So aber, durch den gleichen Trick, wie ihn zuvor das Schmetterlingsmädchen angewandt hatte, waren sie für die Schattenkreaturen nicht mehr existent gewesen. Und da sie es anscheinend nur auf Morgana abgesehen hatten, hatten sie diesmal darauf verzichtet, ein Fangnetz zu verschießen, das sich durch die Zeitsphäre gefressen hätte.
    Unwillkürlich erschauerte Merlin bei dem Gedanken, das Einhorn hätte getötet werden können… wäre das nicht dann auch Morganas Tod gewesen? Verbundene Partner…
    Merlin begriff, daß er eigentlich noch viel zu wenig über Morgana leFay und ihr Einhorn wusste, erst recht nicht über die Aufgabe, über welche das Fabeltier sich ausschwieg. Und doch liebte er sie.
    »Wir müssen sie finden«, sagte er. »Irgendwie. Ihr seid verbunden. Fühlst du nicht, wo sie sich befindet?«
    Ich wittere den Hauch einer Spur, gab das Einhorn zurück. Setz dich auf meinen Rücken, und ich werde mich mühen, der Spur zu folgen, ehe sie verweht. Die Herrin ist weit entfernt, und sie ist gefangen durch etwas, das uns zu trennen versucht. Nun aber laß mich nicht länger zu dir sprechen, denn es kostet viel Kraft.
    »Schon in Ordnung. Ich glaube, wir werden uns auch so verstehen«, sagte Merlin. Er richtete sich wieder auf und ließ das gedrehte Horn los. Der Kopf des Einhorns schwang empor, es prustete, scharrte mit den Vorderläufen und nickte mehrmals kräftig. Dann wies es mit einer raschen Kopfbewegung zu seinem Rücken.
    Merlin sprang hinauf und hielt sich wieder an der Mähne fest.
    Das Einhorn setzte sich in Bewegung. Schon nach ein paar Metern Trab erhob es sich wieder in die Luft und glitt so weiter vorwärts. Merlin wunderte das schon gar nicht mehr!
    ***
    Gryf und Teri wurden in einer weitgespannten Hügellandschaft wieder existent. Der Übergang vom Silbermond zu einer der Wunderwelten hatte nicht einmal eine Sekunde gedauert. Gryf, der den Hauptteil der benötigten Kraft gegeben hatte, fühlte einen leichten Schwächeanfall. Aber diese Schwäche würde nicht von langer Dauer sein. Er musste jetzt nur aufpassen, daß er sich nicht zu schnell weiter verausgabte.
    Die Wunderwelten waren gerade noch vom Silbermond aus erreichbar. Was über ihre Grenzen hinaus ging, war erschöpfend. Deshalb benutzten die Druiden besondere Transportsysteme,

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