0404 - Karten des Unheils
weshalb nicht?« fragte Lady Sarah.
»Etwas stört ihn.«
»Dann soll er es wegwischen!«
»Nein, nein.« Ludmilla schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich. Das geht nicht. Das andere ist einfach zu stark. Er kann keinen Kontakt mit Baal aufnehmen.«
»Und was genau ist das andere?«
Die Russin krümmte sich, als hätte sie Schmerzen. »Es ist zu schwer für mich. Selbst die Karten können mir keine Auskunft geben, aber es muss ungewöhnlich stark sein, und es lauert in Baals Nähe. Nein, in der Nähe seines Erbes.«
Für Lady Sarah war die letzte Bemerkung ungemein interessant.
Was konnte sich dort befinden? Sie dachte nach. Wenn Baal, der tatsächlich nicht zu den schwächsten Dämonen zählte, schon mit seinem Erbe, das sicherlich ebenfalls stark war, scheiterte, musste die andere Magie ungeheuer mächtig sein.
Und davon gab es nicht viele.
»Wo lauert sie?« fragte die Horror-Oma. »In dieser Dimension vielleicht?«
Die Russin hatte die Frage nicht gehört oder wollte sie nicht gehört haben. Jedenfalls erhielt Sarah keine Antwort. Sie sah stattdessen den Schweißausbruch bei der anderen und wiederholte ihre Frage. Hier durfte nicht mehr lange herumgeredet werden, jetzt musste jemand handeln.
»Ja, in dieser Dimension,« drang es flüsternd über die Lippen der Kartenlegerin. Sie berichtigte sich einen Moment später. »Nein, nicht in dieser, sondern auf halber Strecke zwischen den Welten. Es ist bereit, zuzuschlagen…«
Sarah hörte nicht mehr zu. Sie kombinierte und stellte fest, dass einiges vorhanden sein musste, das auch sie kannte. Hesekiel, Rasputin, auch das Kreuz.
Und gerade das zuletzt erwähnte Wort brachte die Horror-Oma auf den Gedanken.
Es musste einfach das Kreuz sein, das eine so starke Gegenmagie aufgebaut hatte. Und Besitzer des Kreuzes war kein Geringerer als John Sinclair, der Sohn des Lichts.
Für Lady Sarah gab es keine andere Möglichkeit. John Sinclair!
Genau das war der Mann, der Baals und Rasputins Magie störte. Er war der mächtige Weißmagier in London, er besaß die entsprechenden Waffen, er konnte sie einsetzen, und sie waren gleichzeitig für ihn auch so etwas wie Indikatoren. Sie zeigten ihm an, wenn sich eine feindliche Magie näherte.
Lady Sarah konnte nicht mehr weiter spekulieren. Auch sie stand unter Stress. Ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt, sie spürte den Schweiß auf ihren Handflächen, und die Fingerkuppen rutschten über die Ballen.
»Ist es das Kreuz?« fragte sie laut und deutlich. »Sehen Sie es, Ludmilla? Ist es tatsächlich das Kreuz, das die andere Magie hindert? Sie müssen mir antworten!«
»Ich weiß es doch nicht!«
»Bitte!«
Ludmilla Prokowa wechselte das Thema. Sie kam wieder auf den Tod zu sprechen. »Die Karte!« hauchte sie. »Am stärksten tritt sie hervor. Ich kann es genau fühlen. Der Todkommt, er schwebt bereits näher. Ja!« brüllte sie plötzlich, sodass Sarah Goldwyn heftig erschrak. »Er ist da!« Ihr Kopf fiel nach vorn. Es hatte den Anschein, als wollte die Stirn den Tisch berühren, aber das geschah nicht.
Dicht oberhalb der ausgebreiteten Karten stoppte die Bewegung, und Lady Sarah sah auch den Grund.
Die Motive auf den Karten waren verschwunden. Stattdessen zeigten sie jeweils eine spiegelnde Fläche.
***
Rasputin!
Ich war mir sicher, dass die Gestalt nicht gelogen hatte und dass es mir gelungen war, den lautlos »gesprochenen« Namen von den Lippen der Erscheinung abzulesen.
Dabei hatte ich einen Kontakt zu Baal haben wollen, um eine Spur von meinem Dolch zu finden. Wen sah ich stattdessen? Eine völlig neue Figur! Eben diesen russischen Mönch und Magier, auch Rasputin genannt, der bis in unser Jahrhundert hinein gelebt und einen sehr großen Schatten geworfen hatte.
Mein Blick saugte sich an dem Gesicht fest. Obwohl es nur eine Erscheinung war, konnte ich es deutlich erkennen. Die einzelnen Falten, die sich wie Gräben tief in die Haut gegraben hatten, und auch die dunklen Augen, deren Pupillen keinen müden, sondern einen sehr harten, kämpferischen Ausdruck zeigten.
Aber was hatte er mit Baal zu tun?
Ich war fasziniert, dass Suko zu mir sprach, überhörte ich. Mein Interesse galt einzig und allein dem zwischen uns stehenden und von einer Aura umgebenen Gesicht.
Er hatte geredet, es war mir gelungen, das Wort von seinen Lippen abzulesen, aber konnte ich mich mit ihm auch unterhalten?
Den Versuch musste ich wagen. Bevor ich es tat, schielte ich noch auf den Dolch.
Seine grüne Farbe hatte sich
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